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Diskursgeschichte des Faschismus - Ringvorlesung an der Universität Potsdam

Posted on 15. November 2022 by novinki
Die Ringvorlesung fragt nach faschistischen Merkmalen der heutigen nationalistischen Populismen und Autoritarismen, nimmt ihren Sprachgebrauch unter die Lupe, analysiert die warnenden Stimmen aus den letzten Dekaden und befragt die sensorischen Potenziale von Literatur, Kunst und Publizistik, Faschistisches aufzuspüren und aufzuzeigen. Dabei soll für prototypische Merkmale des Faschistischen sensibilisiert werden, die möglicherweise auch quer zu den üblichen politischen Polarisierungen zwischen links und rechts kursieren.

Der 24. Februar 2022 wird in die Geschichte als Zäsur eingehen. Die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für die europäische und globale politische Ordnung lassen sich gegenwärtig noch schwer einschätzen, dagegen wird es heute immer offenkundiger, dass der Krieg von einer jahrelang unterschätzen geschichtspolitisch neoimperialen, populistischen Staatspropaganda in Putins Russland ideologisch von langer Hand vorbereitet war.

Als Kriegspropaganda treibt jene Ideologie ihr Verwirrspiel mit dem immer lauter und virulenter werdenden Argument von der „Entnazifizierung“ der Ukraine als Ziel der russischen „Spezialoperation“ auf die Spitze. Der Historiker Timothy Snyder lokalisiert das Auftreten einer neuen „Variante des Faschismus, die man Schizofaschismus nennen könnte“ in Russland um 2014: „Faktische Faschisten nennen ihre Gegner ‚Faschisten‘“ (Snyder 2018: 153). Lew Rubinstein, Dichter, Vertreter der ehemals inoffiziellen Kulturszene und scharfsinniger Kolumnist, spricht heute von einem „Krieg der Sprache“, in dem Begriffe wie „Nazismus“ und „Faschismus“ ihre ursprüngliche Bedeutung längst verloren haben und als inhaltsleere rhetorische Überzeugungsfiguren instrumentalisiert werden. Dem russischen Angriffskrieg ging der „Krieg der Sprache“ voraus: „Das russische Volk war immer geteilt in zwei ungleiche Teile. Der eine – der kleinere – bezeichnete hartnäckig Gemeinheiten als Gemeinheiten, Feigheit als Feigheit, Dummheit als Dummheit und Faschismus als Faschismus. Der andere, der größere, war anfällig für die offizielle Rhetorik und bezeichnete Gemeinheiten als Patriotismus, Feigheit als die Notwendigkeit, den Umständen Rechnung zu tragen, eine offene Aggression als Schutz der eigenen Sicherheit, und das Streben von Völkern und Gesellschaften nach Freiheit und Offenheit als Nazismus.“ (Rubinstein in „Echo Moskwy“ am 25.02.2022, zit. nach „dekoder“).

Die Ringvorlesung nimmt den „Krieg der Sprache“ ins Visier und setzt ihn in den Kontext des jüngeren Nachdenkens über den Faschismus. Spätestens seit dem Erscheinen des viel rezipierten Essays „Der immerwährende Faschismus“ von Umberto Eco (1997) gilt Faschismus als ein politisches Phänomen, das sich nicht auf eine historische Epoche reduzieren lässt, sondern als „Ur-Faschismus“ (so Eco) im politischen Denken der gesamten Moderne immer wieder in unterschiedlichen Varianten auftritt. Sein Ort heute ist das globale Netz der radikalen Rechten, in dem der Autokrat Putin als Anführer anerkannt wird (vgl. Jason Stanley 2022).

Die Ringvorlesung fragt nach faschistischen Merkmalen der heutigen nationalistischen Populismen und Autoritarismen, nimmt ihren Sprachgebrauch unter die Lupe, analysiert die warnenden Stimmen aus den letzten Dekaden und befragt die sensorischen Potenziale von Literatur, Kunst und Publizistik, Faschistisches aufzuspüren und aufzuzeigen. Dabei soll für prototypische Merkmale des Faschistischen sensibilisiert werden, die möglicherweise auch quer zu den üblichen politischen Polarisierungen zwischen links und rechts kursieren.

Die Rinvorlesung im Vorlesungsverzeichnis: https://puls.uni-potsdam.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung&veranstaltung.veranstid=95655

Diskursgeschichte des Faschismus - Ringvorlesung an der Universität Potsdam - novinki
Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Dis­kurs­ge­schichte des Faschismus – Ring­vor­le­sung an der Uni­ver­sität Potsdam

Der 24. Februar 2022 wird in die Geschichte als Zäsur ein­gehen. Die Folgen des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukraine für die euro­päi­sche und glo­bale poli­ti­sche Ord­nung lassen sich gegen­wärtig noch schwer ein­schätzen, dagegen wird es heute immer offen­kun­diger, dass der Krieg von einer jah­re­lang unter­schätzen geschichts­po­li­tisch neo­im­pe­rialen, popu­lis­ti­schen Staats­pro­pa­ganda in Putins Russ­land ideo­lo­gisch von langer Hand vor­be­reitet war.

Als Kriegs­pro­pa­ganda treibt jene Ideo­logie ihr Ver­wirr­spiel mit dem immer lauter und viru­lenter wer­denden Argu­ment von der „Ent­na­zi­fi­zie­rung“ der Ukraine als Ziel der rus­si­schen „Spe­zi­al­ope­ra­tion“ auf die Spitze. Der His­to­riker Timothy Snyder loka­li­siert das Auf­treten einer neuen „Vari­ante des Faschismus, die man Schizofa­schismus nennen könnte“ in Russ­land um 2014: „Fak­ti­sche Faschisten nennen ihre Gegner ‚Faschisten‘“ (Snyder 2018: 153). Lew Rubin­stein, Dichter, Ver­treter der ehe­mals inof­fi­zi­ellen Kul­tur­szene und scharf­sin­niger Kolum­nist, spricht heute von einem „Krieg der Sprache“, in dem Begriffe wie „Nazismus“ und „Faschismus“ ihre ursprüng­liche Bedeu­tung längst ver­loren haben und als inhalts­leere rhe­to­ri­sche Über­zeu­gungs­fi­guren instru­men­ta­li­siert werden. Dem rus­si­schen Angriffs­krieg ging der „Krieg der Sprache“ voraus: „Das rus­si­sche Volk war immer geteilt in zwei ungleiche Teile. Der eine – der klei­nere – bezeich­nete hart­nä­ckig Gemein­heiten als Gemein­heiten, Feig­heit als Feig­heit, Dumm­heit als Dumm­heit und Faschismus als Faschismus. Der andere, der grö­ßere, war anfällig für die offi­zi­elle Rhe­torik und bezeich­nete Gemein­heiten als Patrio­tismus, Feig­heit als die Not­wen­dig­keit, den Umständen Rech­nung zu tragen, eine offene Aggres­sion als Schutz der eigenen Sicher­heit, und das Streben von Völ­kern und Gesell­schaften nach Frei­heit und Offen­heit als Nazismus.“ (Rubin­stein in „Echo Moskwy“ am 25.02.2022, zit. nach „dekoder“).

Die Ring­vor­le­sung nimmt den „Krieg der Sprache“ ins Visier und setzt ihn in den Kon­text des jün­geren Nach­den­kens über den Faschismus. Spä­tes­tens seit dem Erscheinen des viel rezi­pierten Essays „Der immer­wäh­rende Faschismus“ von Umberto Eco (1997) gilt Faschismus als ein poli­ti­sches Phä­nomen, das sich nicht auf eine his­to­ri­sche Epoche redu­zieren lässt, son­dern als „Ur-Faschismus“ (so Eco) im poli­ti­schen Denken der gesamten Moderne immer wieder in unter­schied­li­chen Vari­anten auf­tritt. Sein Ort heute ist das glo­bale Netz der radi­kalen Rechten, in dem der Auto­krat Putin als Anführer aner­kannt wird (vgl. Jason Stanley 2022).

Die Ring­vor­le­sung fragt nach faschis­ti­schen Merk­malen der heu­tigen natio­na­lis­ti­schen Popu­lismen und Auto­ri­ta­rismen, nimmt ihren Sprach­ge­brauch unter die Lupe, ana­ly­siert die war­nenden Stimmen aus den letzten Dekaden und befragt die sen­so­ri­schen Poten­ziale von Lite­ratur, Kunst und Publi­zistik, Faschis­ti­sches auf­zu­spüren und auf­zu­zeigen. Dabei soll für pro­to­ty­pi­sche Merk­male des Faschis­ti­schen sen­si­bi­li­siert werden, die mög­li­cher­weise auch quer zu den übli­chen poli­ti­schen Pola­ri­sie­rungen zwi­schen links und rechts kursieren.

Die Rin­vor­le­sung im Vor­le­sungs­ver­zeichnis: https://puls.uni-potsdam.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung&veranstaltung.veranstid=95655