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Ein klaustrophobes Cabaret tschechischer Nationalgeschichte

Posted on 26. April 2023 by Alberto Afferni
Der Regisseur Petr Hašek lädt in Brno zu seinem Stück "27 – Jan Mydlářs Exekutionsshow" (27 – Exekuční show Jana Mydláře, UA 2022) ein und macht darin einen Henker zum Conférencier einer Führung durch die tschechische Geschichte – von der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts 1968 bis zum Korruptionsskandal um Andrej Babiš. Ein wahrhaft klaustrophobes Spektakel.

Der Regisseur Petr Hašek lädt in Brno zu seinem Stück 27 – Jan Mydlářs Exekutionsshow (27 – Exekuční show Jana Mydláře, UA 2022) ein und macht darin einen Henker zum Conférencier einer Führung durch die tschechische Geschichte – von der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts 1968 bis zum Korruptionsskandal um Andrej Babiš. Ein wahrhaft klaustrophobes Spektakel.

 

„Wer an Klaustrophobie leidet, möge bitte den Raum verlassen!“ Nach dieser Warnung von Petr Hašek, Regisseur und Künstlerischer Leiter des Theaterensembles „Geisslers Hofcomoedianten“, geht das Licht im kleinen Zuschauerraum aus. Danach lange nichts. Es verstreicht gefühlt eine Ewigkeit. Plötzlich betreten zwei grotesk wirkende Figuren den verdunkelten Zuschauer_innenraum: ein großer schmaler Mann mit blutender Nase und eine betont aufreizend gekleidete Frau.

 

Wer sind die beiden? Zeit für eine Antwort darauf gibt es nicht, denn nach dem offensiven Zusperren des Ausgangs ertönt ohrenbetäubender metallischer Lärm und eine tiefe weibliche Stimme liest 27 Namen vor. Hinter den Wänden des Raumes bewegen sich schematische Figuren. Beklemmung und Klaustrophobie steigern sich ins Unermessliche. Wie aus dem Nichts tauchen schließlich 27 auf schwarze Jutebeutel gemalte Gesichter auf. Im Zuschauerraum wird es derweil noch dunkler. Überall wabert Nebel. Allein die Gesichter auf den Beuteln leuchten und scheinen böse ins Publikum zu blicken. Erneut betritt der hagere Mann die Bühne, stellt sich auf einen schmalen Holzblock mitten im Zuschauer_innenraum, während die weibliche Stimme ihn vorstellt: Es ist Jan Mydlář, auch bekannt als Johannes Seifmacher.

 

Who the Fuck is Johannes Seifmacher?

Während in Tschechien jedes Kind weiß, wer sich hinter diesem Namen verbirgt, braucht es in Deutschland eine Kontextualisierung. Johannes Seifmacher oder auch Jan Mydlář ist der Henker, der im Juni 1621 auf dem Prager Altstädter Ring die Anführer der böhmischen Protestanten exekutierte: 27 Männer, darunter 17 Adlige und 10 Bürger. Bis heute erinnern 27 in Stein eingelassene Kreuze an dieses grausame Spektakel, auch bekannt als „Prager Blutgericht“. Hier, auf der Brünner Bühne des Theaters „Industra“, wird Mydlář nun begleitet von Dorotka, seiner unglücklichen Liebe. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte Böhmens und Tschechiens neu.

 

„Life is a…, Nope! Sorry. Geschichte is a Cabaret, Old Chum!“

„Life is a Cabaret, Old Chum!“, sang Liza Minnelli 1972 in Bob Fosses Musical Cabaret. Peter Hašek hat nun seine Version dieses Mottos entworfen. Für ihn ist die ganze (tschechische) Geschichte ein Cabaret, dazu ein „morbides“, wie im Untertitel des Theaterstückes angeführt wird. Aber warum ausgerechnet eine Exekutionsshow im Gewand des Cabarets? Tatsächlich scheint das gemeinhin für leichtfüßig befundene Cabaret große künstlerische Freiheiten zu bieten. Hašeks Cabaret besteht einmal aus lose miteinander verbundenen Sketchen, zum anderen aus der Figur des Henkers, der den Conférencier macht. Darüber hinaus fungiert das Cabaret für „Geisslers Hofcomoedianten“ auch als Metapher, gleicht einem Totentanz der Geschichte.

 

Zuerst werden Vorgeschichte und Folgen des Böhmischen Aufstands von 1618 vorgestellt – alles entlang der titelgebenden Ziffer 27: Genau 27 Zuschauer_innen dürfen der Hinrichtung der 27 Protestanten zuschauen, während in 27 Sketchen durch die tschechische Nationalgeschichte gereist wird – natürlich in mythisierter Form. Dabei zeigt Showmaster Mydlář, wie jedes einzelne nationale Ereignis zugleich von unwillkürlichem Egoismus geprägt war. Hohe Ideale finden sich allenfalls im Verborgenen. Das verbindet die barocke Geschichte mit der heutigen Tschechischen Republik, weshalb der Regisseur auch alle 27 Ereignisse auf der gleichen Zeitachse präsentiert. Die Ebenen „Gestern = Vergangenheit“ und „Heute = Gegenwart“ werden demontiert. Alles war damals und ist jetzt: der Prager Fenstersturz 1618 und die Abstimmung gegen den Ministerpräsidenten Andrej Babiš 2018, die Prozesse gegen die protestantischen Aufständischen und die Verhaftungen derjenigen, die 1968 gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestierten.

 

Die historischen Ereignisse werden auf der Bühne zeitlich ineinandergeblendet, weil sie sich sinnlos wiederholen, die Vergangenheit ohne Einfluss auf die Gegenwart bleibt. Die ganze Geschichte also ein Pool aus Sketchen. Einzig die Fatalität und der Tod bleiben ewig, verkörpert in der Figur des Henkers Mydlář.

 

Die trüben Bänder der Geschichte

Der Regisseur findet einprägsame, poetische Bilder für das Überblenden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, für die Unbeweglichkeit der Geschichte. Einst weiße, jetzt angegraute Elastikbänder werden zwischen den Zuschauer_innen gespannt, so dass sie sich nicht mehr bewegen können. Dagegen tauchen die Schauspieler_innen unentwegt zwischen den Bändern hinauf, hinab, durch sie hindurch. Alles wirkt chaotisch, frenetisch, furios. Die Zuschauer_innen werden in die Beobachter_innenrolle gezwungen, müssen passiv bleiben. Einzig der Galgen auf der Bühne ist dem Henker vorbehalten. Nur für den kurzen Moment ihrer Hinrichtung kommen die Protestanten auf die Bühne, um dann wieder zwischen den Bändern unter- und aufzutauchen. Die 27 + 27 bilden einen gemeinsamen Geschichtsraum, sind allesamt Teil der Inszenierung, sind das Volk, das die Exekutionen auf dem Altstädter Ring damals so gefühllos betrachtete wie es heute auf das aktuelle Geschehen blickt. Zugleich sind ihre Rollen austauschbar. Die schmutzigen Bänder der Geschichte sind wie trübes Wasser – ohne einen Ausweg ans rettende Ufer.

 

Ein kollektiver Orgasmus gegen die Nationalgeschichte(n)

Aber ist Peter Hašek ein Schwarzseher, der einzig den Tod als sicheres Ufer aufzeigt? Natürlich nicht, nur Geduld! Hašek gilt als Regisseur, der erstmals wieder einen ungewöhnlich barocken Bühnenstil auf die Bühne brachte. Er ist Absolvent der Prager DAMU im Bereich Alternativ- und Puppentheater. 2014 wurde er zum Direktor des Malé divadlo (Kleines Theater) in České Budějovice ernannt. Neben dem "Malé divaldo" und „Geisslers Hofcomoedianten“ betreut Hašek aber auch weitere Theaterprojekte, Musicals und Shows, lehrt als Dozent in Tschechien und außerhalb. Doch zurück zum Stück: Nachdem alle Aufständischen exekutiert wurden, nachdem alle Zuschauer_innen zusahen und Jan Mydlář seiner tödlichen Verpflichtung nachkam, wird die nun galgenfrei gewordene Holzbühne in ein angenehm rötliches Licht getaucht. Der Tod ist verschwunden, ist also nicht die Lösung. Vielmehr wird die Bühne nun beherrscht von der „lieben Dorotka“, die von nackten Männern umgeben ist. Das Ganze gleitet in eine genussfreudige leidenschaftliche Orgie. Dorotka bleibt bis zum Ende im Zentrum der Bühne, die sich in einen anheimelnden Darkroom zu wandeln beginnt. Erotik ersetzt also den Tod. Erotik verschlingt den nationalen Egoismus, die blutigen Ereignisse. Die so freie wie friedliche Liebe stoppt als kollektive Orgie die aggressive Geschichte. Dieser Schluss kann kaum anders als ein ausgestreckter Mittelfinger gegen die übermythisierte tschechische Nationalgeschichte gelesen werden – gegen jeden letztlich toxischen Nationsgedanken.

 

  1. Exekuční show Jana Mydláře (27. Exekutionsshow von Jan Mydlář), Regie: Petr Hašek, Dramaturgie: Luděk Horký, Natálie Preslová, Helena Koblischková, Musik: David Hlaváč, Cast: Aleš Pospíšil, Martin Bohadlo, Petr Šmíd, Šimon Dohnálek, Vojtěch Bartoš, Martin Holzknecht, Lucie Valenová; UA am 27. August 2022. Festival Divadelní Svět DSB Brno.

 

Weiterführende Links

https://www.geisslers.cz/show-item/27/

https://goout.net/cs/27/szjornu/

Beitragsbild: mit freundlicher Genehmigung von Michal Stránský.

Ein klaustrophobes Cabaret tschechischer Nationalgeschichte - novinki
Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Ein klaus­tro­phobes Cabaret tsche­chi­scher Nationalgeschichte

Der Regis­seur Petr Hašek lädt in Brno zu seinem Stück 27 – Jan Mydlářs Exe­ku­ti­ons­show (27 – Exe­kuční show Jana Myd­láře, UA 2022) ein und macht darin einen Henker zum Con­fé­ren­cier einer Füh­rung durch die tsche­chi­sche Geschichte – von der Nie­der­lage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 über den Ein­marsch der Truppen des War­schauer Pakts 1968 bis zum Kor­rup­ti­ons­skandal um Andrej Babiš. Ein wahr­haft klaus­tro­phobes Spektakel.

 

„Wer an Klaus­tro­phobie leidet, möge bitte den Raum ver­lassen!“ Nach dieser War­nung von Petr Hašek, Regis­seur und Künst­le­ri­scher Leiter des Thea­ter­en­sem­bles „Geiss­lers Hof­co­moe­di­anten“, geht das Licht im kleinen Zuschau­er­raum aus. Danach lange nichts. Es ver­streicht gefühlt eine Ewig­keit. Plötz­lich betreten zwei gro­tesk wir­kende Figuren den ver­dun­kelten Zuschauer_innenraum: ein großer schmaler Mann mit blu­tender Nase und eine betont auf­rei­zend geklei­dete Frau.

 

Wer sind die beiden? Zeit für eine Ant­wort darauf gibt es nicht, denn nach dem offen­siven Zusperren des Aus­gangs ertönt ohren­be­täu­bender metal­li­scher Lärm und eine tiefe weib­liche Stimme liest 27 Namen vor. Hinter den Wänden des Raumes bewegen sich sche­ma­ti­sche Figuren. Beklem­mung und Klaus­tro­phobie stei­gern sich ins Uner­mess­liche. Wie aus dem Nichts tau­chen schließ­lich 27 auf schwarze Jute­beutel gemalte Gesichter auf. Im Zuschau­er­raum wird es der­weil noch dunkler. Überall wabert Nebel. Allein die Gesichter auf den Beu­teln leuchten und scheinen böse ins Publikum zu bli­cken. Erneut betritt der hagere Mann die Bühne, stellt sich auf einen schmalen Holz­block mitten im Zuschauer_innenraum, wäh­rend die weib­liche Stimme ihn vor­stellt: Es ist Jan Mydlář, auch bekannt als Johannes Seifmacher.

 

Who the Fuck is Johannes Seifmacher?

Wäh­rend in Tsche­chien jedes Kind weiß, wer sich hinter diesem Namen ver­birgt, braucht es in Deutsch­land eine Kon­tex­tua­li­sie­rung. Johannes Seif­ma­cher oder auch Jan Mydlář ist der Henker, der im Juni 1621 auf dem Prager Alt­städter Ring die Anführer der böh­mi­schen Pro­tes­tanten exe­ku­tierte: 27 Männer, dar­unter 17 Adlige und 10 Bürger. Bis heute erin­nern 27 in Stein ein­ge­las­sene Kreuze an dieses grau­same Spek­takel, auch bekannt als „Prager Blut­ge­richt“. Hier, auf der Brünner Bühne des Thea­ters „Industra“, wird Mydlář nun begleitet von Dorotka, seiner unglück­li­chen Liebe. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte Böh­mens und Tsche­chiens neu.

 

„Life is a…, Nope! Sorry. Geschichte is a Cabaret, Old Chum!“

„Life is a Cabaret, Old Chum!“, sang Liza Min­nelli 1972 in Bob Fosses Musical Cabaret. Peter Hašek hat nun seine Ver­sion dieses Mottos ent­worfen. Für ihn ist die ganze (tsche­chi­sche) Geschichte ein Cabaret, dazu ein „mor­bides“, wie im Unter­titel des Thea­ter­stü­ckes ange­führt wird. Aber warum aus­ge­rechnet eine Exe­ku­ti­ons­show im Gewand des Caba­rets? Tat­säch­lich scheint das gemeinhin für leicht­füßig befun­dene Cabaret große künst­le­ri­sche Frei­heiten zu bieten. Hašeks Cabaret besteht einmal aus lose mit­ein­ander ver­bun­denen Sket­chen, zum anderen aus der Figur des Hen­kers, der den Con­fé­ren­cier macht. Dar­über hinaus fun­giert das Cabaret für „Geiss­lers Hof­co­moe­di­anten“ auch als Meta­pher, gleicht einem Toten­tanz der Geschichte.

 

Zuerst werden Vor­ge­schichte und Folgen des Böh­mi­schen Auf­stands von 1618 vorgestellt – alles ent­lang der titel­ge­benden Ziffer 27: Genau 27 Zuschauer_innen dürfen der Hin­rich­tung der 27 Pro­tes­tanten zuschauen, wäh­rend in 27 Sket­chen durch die tsche­chi­sche Natio­nal­ge­schichte gereist wird – natür­lich in mythi­sierter Form. Dabei zeigt Show­master Mydlář, wie jedes ein­zelne natio­nale Ereignis zugleich von unwill­kür­li­chem Ego­ismus geprägt war. Hohe Ideale finden sich allen­falls im Ver­bor­genen. Das ver­bindet die barocke Geschichte mit der heu­tigen Tsche­chi­schen Repu­blik, wes­halb der Regis­seur auch alle 27 Ereig­nisse auf der glei­chen Zeit­achse prä­sen­tiert. Die Ebenen „Ges­tern = Ver­gan­gen­heit“ und „Heute = Gegen­wart“ werden demon­tiert. Alles war damals und ist jetzt: der Prager Fens­ter­sturz 1618 und die Abstim­mung gegen den Minis­ter­prä­si­denten Andrej Babiš 2018, die Pro­zesse gegen die pro­tes­tan­ti­schen Auf­stän­di­schen und die Ver­haf­tungen der­je­nigen, die 1968 gegen die Nie­der­schla­gung des Prager Früh­lings protestierten.

 

Die his­to­ri­schen Ereig­nisse werden auf der Bühne zeit­lich inein­an­der­ge­blendet, weil sie sich sinnlos wie­der­holen, die Ver­gan­gen­heit ohne Ein­fluss auf die Gegen­wart bleibt. Die ganze Geschichte also ein Pool aus Sket­chen. Einzig die Fata­lität und der Tod bleiben ewig, ver­kör­pert in der Figur des Hen­kers Mydlář.

 

Die trüben Bänder der Geschichte

Der Regis­seur findet ein­präg­same, poe­ti­sche Bilder für das Über­blenden von Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft, für die Unbe­weg­lich­keit der Geschichte. Einst weiße, jetzt ange­graute Elas­tik­bänder werden zwi­schen den Zuschauer_innen gespannt, so dass sie sich nicht mehr bewegen können. Dagegen tau­chen die Schauspieler_innen unent­wegt zwi­schen den Bän­dern hinauf, hinab, durch sie hin­durch. Alles wirkt chao­tisch, fre­ne­tisch, furios. Die Zuschauer_innen werden in die Beobachter_innenrolle gezwungen, müssen passiv bleiben. Einzig der Galgen auf der Bühne ist dem Henker vor­be­halten. Nur für den kurzen Moment ihrer Hin­rich­tung kommen die Pro­tes­tanten auf die Bühne, um dann wieder zwi­schen den Bän­dern unter- und auf­zu­tau­chen. Die 27 + 27 bilden einen gemein­samen Geschichts­raum, sind alle­samt Teil der Insze­nie­rung, sind das Volk, das die Exe­ku­tionen auf dem Alt­städter Ring damals so gefühllos betrach­tete wie es heute auf das aktu­elle Geschehen blickt. Zugleich sind ihre Rollen aus­tauschbar. Die schmut­zigen Bänder der Geschichte sind wie trübes Wasser – ohne einen Ausweg ans ret­tende Ufer.

 

Ein kol­lek­tiver Orgasmus gegen die Nationalgeschichte(n)

Aber ist Peter Hašek ein Schwarz­seher, der einzig den Tod als sicheres Ufer auf­zeigt? Natür­lich nicht, nur Geduld! Hašek gilt als Regis­seur, der erst­mals wieder einen unge­wöhn­lich baro­cken Büh­nen­stil auf die Bühne brachte. Er ist Absol­vent der Prager DAMU im Bereich Alter­nativ- und Pup­pen­theater. 2014 wurde er zum Direktor des Malé div­adlo (Kleines Theater) in České Budě­jo­vice ernannt. Neben dem “Malé divaldo” und „Geiss­lers Hof­co­moe­di­anten“ betreut Hašek aber auch wei­tere Thea­ter­pro­jekte, Musi­cals und Shows, lehrt als Dozent in Tsche­chien und außer­halb. Doch zurück zum Stück: Nachdem alle Auf­stän­di­schen exe­ku­tiert wurden, nachdem alle Zuschauer_innen zusahen und Jan Mydlář seiner töd­li­chen Ver­pflich­tung nachkam, wird die nun gal­gen­frei gewor­dene Holz­bühne in ein ange­nehm röt­li­ches Licht getaucht. Der Tod ist ver­schwunden, ist also nicht die Lösung. Viel­mehr wird die Bühne nun beherrscht von der „lieben Dorotka“, die von nackten Män­nern umgeben ist. Das Ganze gleitet in eine genuss­freu­dige lei­den­schaft­liche Orgie. Dorotka bleibt bis zum Ende im Zen­trum der Bühne, die sich in einen anhei­melnden Dark­room zu wan­deln beginnt. Erotik ersetzt also den Tod. Erotik ver­schlingt den natio­nalen Ego­ismus, die blu­tigen Ereig­nisse. Die so freie wie fried­liche Liebe stoppt als kol­lek­tive Orgie die aggres­sive Geschichte. Dieser Schluss kann kaum anders als ein aus­ge­streckter Mit­tel­finger gegen die über­my­thi­sierte tsche­chi­sche Natio­nal­ge­schichte gelesen werden – gegen jeden letzt­lich toxi­schen Nationsgedanken.

 

  1. Exe­kuční show Jana Myd­láře (27. Exe­ku­ti­ons­show von Jan Mydlář), Regie: Petr Hašek, Dra­ma­turgie: Luděk Horký, Natálie Pres­lová, Helena Kob­lisch­ková, Musik: David Hlaváč, Cast: Aleš Pospíšil, Martin Bohadlo, Petr Šmíd, Šimon Dohnálek, Voj­těch Bartoš, Martin Holz­knecht, Lucie Vale­nová; UA am 27. August 2022. Fes­tival Div­a­delní Svět DSB Brno.

 

Wei­ter­füh­rende Links

https://www.geisslers.cz/show-item/27/

https://goout.net/cs/27/szjornu/

Bei­trags­bild: mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Michal Stránský.