Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

„Herr General, rote Pfingst­rosen blühen in meinem Hös­chen!“ – Inter­view mit der Bel­grader Poetin Rad­mila Petrović

Die viel­fach preis­gekrönte und in Bel­grad lebende junge Poetin Rad­mila Petrović und ich treffen uns „am Pferd“ auf dem Platz der Repu­blik, wie es alle Belgrader_innen tun, die sich auf einen Kaffee im Stadt­zen­trum ver­ab­reden. Sie kam gerade von einer Schreib­re­si­denz aus dem Kosova zurück. So spre­chen wir gleich zu Beginn über die Kosovo-Frage, wäh­rend wir durch die Straßen des ehe­mals jüdi­schen Alt­stadt­vier­tels Dorćol ziehen, auf der Suche nach einem Café. In einem zen­tralen Gedicht aus ihrem 2020 erschie­nenen Gedicht­band Moja mama zna šta se dešava u gra­do­vima (dt. Meine Mama weiß, was in Städten vor sich geht) werden die pur­pur­roten Pfingst­rosen, Symbol für die hel­den­haft gestor­benen Krieger aus dem ser­bi­schen Nar­rativ rund um die legen­däre Schlacht am Amsel­feld von 1389 (serb.: „Kosovska bitka“)  mit Mens­trua­ti­ons­blut par­al­le­li­siert. Dem ser­bi­schen Grün­dungs­my­thos zufolge erlag der später dafür hei­lig­ge­spro­chene Fürst Lazar frei­willig der Osma­ni­schen Armee des Sul­tans Murat am Amsel­feld, im Aus­tausch für einen Platz im Him­mel­reich (serb.: „carstvo nebesko“). Es ist dieser natio­nale Mythos, der den Serb_innen die Aner­ken­nung der staat­li­chen Sou­ve­rä­nität so schwer macht. Je nachdem, ob man die weib­liche Mens­trua­tion als Scham oder Frucht­bar­keit deutet, kann diese Par­al­le­li­sie­rung als ver­leum­dend oder auf­wer­tend inter­pre­tiert werden. Für Rad­mila Petrović geht beides in der Poesie. 

Zum ser­bi­schen Ori­ginal geht es ⇒ hier.

Phi­line Bick­hardt: Dein Gedicht­band Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht aus dem Jahr 2020 ist gerade in vierter Auf­lage im Verlag PPM Enklava erschienen. Als ich ihn gelesen habe, fiel mir beson­ders die Ver­bin­dung von Natur und Weib­lich­keit ins Auge. Das Titel­bild zeigt diese Ver­bin­dung: Eine nackte Frau in Gum­mi­stie­feln mit betonten Brüsten und langen Haaren steht vor rotem Hin­ter­grund in einer sche­ma­tisch dar­ge­stellten Wiese. Und sie sieht ziem­lich cool aus. Warum?

 

Rad­mila Petrović: Das Titel­blatt geht auf den Vor­schlag der Desi­gnerin Haj­dana Kostić zurück, darauf hatte ich nicht viel Ein­fluss. Ich wollte ver­su­chen, Gedichte in der Sprache der Natur zu schreiben, denn ich bin umgeben von der Natur auf­ge­wachsen und das ist die ein­zige Sprache, die ich kenne. Ich ver­stehe mich nicht auf diese städ­ti­sche Sprache, die die urbanen Schriftsteller_innen ver­wenden. Sie ver­wenden viele Stadt-Refe­renzen, wie „Haus­ein­gänge/-kor­ri­dore“ (serb.: „haus­tori“) und „Kaf­fee­häuser“ (serb.: „kafići“). Ich spreche statt­dessen von Pflanzen und Tieren.

Ich wollte ein lyri­sches Ich erschaffen, das ver­letz­lich ist und sich trotzdem immer behauptet, das kämpft und frohen Mutes bleibt, trotz der schwie­rigen Umstände und der Natur, die ich in erster Linie als rau und hart bezeichnen würde. Zudem wollte ich ein lyri­sches Ich erschaffen, dem das Patri­ar­chat, in dem es auf­ge­wachsen ist, nicht erlaubt, das Frau-Sein voll auszuleben.

 

P.B.: Dient die Stadt als Anti­pode zum Dorf, in dem Männer domi­nieren, hat also die Stadt eine selbst­be­stimmte weib­liche Per­spek­tive auf sich selbst?

 

R.P.: Die Stadt könnte ein Ort grö­ßerer Frei­heit sein, ein Ort, wo das Patri­ar­chat nicht so domi­nant ist oder wo diese Domi­nanz wenigs­tens nicht so offen­sicht­lich wird, wie auf dem Dorf. Das lyri­sche Ich sieht die Stadt als Ort, wo Frauen mehr „Rechte“ hatten oder mehr Mög­lich­keit, ihr weib­li­ches Prinzip zu ent­wi­ckeln. Das Patri­ar­chat steht einer sol­chen Ent­wick­lung oft im Weg und hält Frauen davon ab, ihre wahre Natur zu leben. Dieses Zurück­ge­hal­ten­werden wird im lyri­schen Sub­jekt sichtbar, einem Mäd­chen, das sich der tra­di­tio­nellen weib­li­chen Rolle nicht unter­wirft und sich die Stärke und gesell­schaft­liche Rolle des Mannes für sich herausnimmt.

 

P.B.: Könnte man den Titel des Gedichts, das auch titel­ge­bend für den Gedicht­band ist, so fort­führen: Meine Mama weiß, was in Städten vor sich geht, aber sie bleibt leider trotzdem auf dem Dorf? 

 

R.P.: Der Titel ist iro­nisch gemeint. In meiner Vor­stel­lung steht er für eine Mutter, die aus dem Dorf heraus der Tochter erzählt, was einem Schlechtes und Gefähr­li­ches in der Stadt zustoßen kann, dabei war die Mutter selbst nie in der Stadt. Ich wollte einen Titel, der auf trau­rige Weise iro­nisch ist.

 

P.B.: Welche Rolle hat die Kuh als Motiv in deiner Poesie? Im Gedicht Die Sprache der Pflanzen wird über die Kuh als Objekt der Sehn­sucht gespro­chen. Der Eigen­name der Kuh „Šarulja“ (dt.  Gefleckte)  hebt sich zusätz­lich von dem rest­li­chen klein­ge­schrie­benen Text durch seine Groß­schrei­bung ab. Zudem schreibt man im Ser­bi­schen Gott groß, wäh­rend fast alles andere (außer Eigen­namen) klein. Rückt die Groß­schrei­bung der Kuh sie und die Tiere näher an Gott heran? 

 

R.P.: Die Kuh ist mein Lieb­lings­tier, denn es ist das Lieb­lings­tier meiner Mutter. In Ser­bien geben wir allen Kühen Namen. Sie heißen meist Šarulja, Macula, Zvatula usw. Was Götter anbe­langt, so schreiben wir in Ser­bien das, was heilig ist und das wir respek­tieren, mit großem Buch­staben. Eigent­lich hatte ich Gott zuerst klein geschrieben, aber dann hat man mir gesagt, ich sollte das nochmal über­denken. Am Ende habe ich mich für die Groß­schrei­bung ent­schieden, mehr, weil ich aus einer sehr reli­giösen Familie komme, weniger, weil ich denke, dass es Gott wichtig ist, wie er geschrieben wird.

 

Per­sön­li­ches Archiv, 2020.

P.B.: Im Gedicht Zwei Minuten ohne Poesie heißt es, die Haupt­er­zäh­lerin sei wie die Kuh Šarulja „falsch rum“ geboren. Da Kälber tat­säch­lich aus der mensch­li­chen Per­spek­tive „ver­kehrt herum“, näm­lich zuerst mit den Beinen, auf die Welt kommen, lese ich in diesen Zeilen das The­ma­ti­sieren einer Abwei­chung von der Norm, viel­leicht sogar eine Meta­pher für die Ver­schmel­zung des Männ­li­chen und Weib­li­chen, für das männ­lich Gebo­rene im weib­li­chen Körper (auch „intersex“ genannt)?

 

R.P.: Meine Mutter hat ihr Leben lang Kühe gehalten. Die Kuh ist somit die ein­zige Kon­stante in ihrem Leben. Die Kuh ist dar­über hinaus ein Symbol für Wohl­stand und Sicher­heit. Sie ist auch auf ihre Art ein Wärme-Quell, das wissen alle, die sich auch nur einmal auf einer Wiese oder im Stall zwi­schen Kühen befunden haben. Die Kuh wird, nachdem das lyri­sche Ich das Dorf ver­lassen hat, zum Symbol für die Sehn­sucht nach Wärme und nach dem Ort des Auf­wach­sens. In Ser­bien kom­men­tiert man mit „ver­kehrt herum“ (serb.: „nao­pako“, Anm. d. Red.: im Sinne von „abwei­chend“) alles, was nicht in Ein­klang mit tra­di­tio­nellen Vor­stel­lungen von Geschlecht steht. Das lyri­sche Ich passt nicht in die tra­di­tio­nellen Schub­laden. Des­wegen nennt es sich selbst – ein wenig traurig, ein wenig iro­nisch – „ver­kehrt“.

 

P.B.: Die Kuh kommt sehr oft in deinen Gedichten vor. Du hast eine beson­dere Ver­bin­dung zu ihr, nicht wahr?

 

R.P.: Die Kuh ist das domi­nate Tier meiner Kind­heit. Sie ist das Symbol für Sta­bi­lität und in meiner Familie hat man ihr viel Auf­merk­sam­keit gewidmet. Wird die Kuh krank, ist das wie ein aber­gläu­bi­scher Fluch, der sich auf die Familie legt. Alle denken nur noch daran, wie man sie wieder heilen kann. Denn wenn einem die Kuh stirbt, ist das ein großer Ver­lust für die Familie, min­des­tens tau­send Euro, was für eine ja relativ arme ser­bi­sche Familie auf dem Land ein großes Unglück bedeutet. Die Men­schen hängen sehr an Kühen. Wenn sie kalben, ist die ganze Familie dabei. Meine Eltern ver­dienen einen Teil ihres Ein­kom­mens mit der Her­stel­lung von Käse und dem Ver­kauf von Kajmak (Anm. d. Red.: ein Milch­pro­dukt, Quark- oder Sah­ne­ähn­lich). Wir hatten immer Kühe im Haus­halt, es war meine Auf­gabe, sie zu hüten, auf sie auf­zu­passen, nach ihnen zu sehen. Die Kuh ist mein Lieblingstier.

 

P.B.: Und die größte Kon­kur­renz in den Augen der Mutter?

 

R.P.: Ja, manchmal war ich eifer­süchtig auf diese Kühe, denn meine Eltern haben ihnen mehr Auf­merk­sam­keit geschenkt als uns Kindern.

 

Der Traktor kommt neben der Kuh häufig als Motiv im Gedicht­band vor. Per­sön­li­ches Archiv, 2020.

P.B.: In der Sprache der Pflanzen schreibst du über das schwere Erbe, dass die Männer der Mensch­heit hin­ter­lassen haben. Leidet die Erde unter Kriegen und men­schen­ge­machter Zer­stö­rung? Ist die Pflan­zen­sprache eine Frau­en­sprache? 

 

R.P.: An Kriegen leidet nur der Mensch, an Zer­stö­rung ebenso. Die Erde ist unzer­störbar; sie findet immer Wege sich zu erneuern, aber nie­mand garan­tiert, dass die Mensch­heit diese Selbst­er­neue­rung über­lebt. Die Sprache der Pflanzen ist nicht zwangs­läufig eine weib­liche Sprache. Es ist die Sprache, die sich aus all jenen Worten zusam­men­setzt, die wir geliebten Men­schen nicht gesagt haben, aber hätten sagen sollen.

 

P.B.: Kosova ist eine Schlüs­sel­frage für Ser­bien und den ganzen Balkan. Nicht nur für den natio­nalen Grün­dungs­my­thos Ser­biens, die Schlacht am Amsel­feld, dem „Kosovo Polje“, son­dern auch als kon­krete Frage für die außen­po­li­ti­sche Ori­en­tie­rung des Landes. Die Euro­päi­sche Union for­dert Ser­bien zur Aner­ken­nung Kosovas als eigen­stän­digem Staat auf, um der EU über­haupt bei­treten zu können. Dein Gedicht Ich bin Serbin, aber Kosovo ist nicht in meinem Herzen, son­dern du bezieht sich auf den in Ser­bien noch heute so wich­tigen Kosovo-Mythos und stellt den Groß­vater und Vater als Teil­nehmer an Kriegen (Zweiter Welt­krieg, Jugo­sla­wi­sche Kriege) den mutigen und lie­benden Frauen gegen­über. Ist der Krieg für dich ein männ­li­ches Prinzip? 

 

R.P.: Nein, ich denke nicht, dass der Krieg männ­lich ist. Ich denke, dass die Kraft der Frauen größer ist als die der Männer und dass daher Frauen immer die grö­ßeren Sie­ges­aus­sichten haben, beson­ders die ver­liebten. Frauen waren nun zum Glück nicht die­je­nigen, die in der Geschichte Kriege begonnen haben und genau des­halb können sie ein ent­schei­dender Faktor für die Ver­söh­nung sein. Ich stelle also der krie­ge­ri­schen Kraft der Männer eine ero­ti­sche Kraft ent­gegen. Frauen führen auch Kriege, aber sie führen nicht so fal­sche Kriege, etwa um Ter­ri­to­rien. Frauen kämpfen immer für bestimmte höhere Werte. Dabei sind beson­ders ver­liebte Frauen gefähr­lich. Frauen haben eine überaus große Kraft, das ist ihre ero­ti­sche Kraft. Ich denke im Übrigen auch, dass sie viel gefähr­li­cher sind als Männer. Dieses Gedicht soll genau dar­über spre­chen, also über die Kraft der Frauen als Anti­pode zu dieser Kriegs­kultur, diesem Krieg, dieser männ­li­chen Kraft. Frauen führen weitaus klü­gere Kriege.

Dieses Gedicht ist ein Ver­such, die Kraft der Frau und die ero­ti­sche Kraft über die hier gepflegte Todes­kultur, über die Beto­nung des Kosovo zu erheben. Die Kosovo-Frage ist für die meisten Serb_innen eigent­lich nicht das Haupt­thema. Natür­lich ist dies ein wich­tiges Thema für die Serb_innen im Kosovo selbst, und es tut mir leid, wenn sie nicht die Rechte und Frei­heiten haben, die sie ihrer Mei­nung nach haben sollten. Für uns andere ist der Kosovo wichtig wegen der Art und Weise, wie wir auf­ge­wachsen sind und was unser Bil­dungs­system sagt, das bestimmte Emo­tionen in uns für dieses Ter­ri­to­riums pro­du­ziert, das Lernen, dass das „unseres“ ist. Aber wenn du in diesen Kosovo fährst, ist es real sehr anders, als wir es in der Schule gelernt haben. Und natür­lich, wenn du das sagst, bist du ein „Ver­räter“ (serb.: „izda­jnik“). Das ist ein Pro­blem, mit dem man kon­fron­tiert wird.

Viel­leicht denkt der Prä­si­dent jeden Tag dar­über nach, wenn er auf­wacht, weil das eine poli­ti­sche Frage ist, die gelöst werden muss, aber dieses Gedicht soll eine Rebel­lion aus­drü­cken; näm­lich dass diese poli­ti­schen Fragen, auf die man so sehr insis­tiert, dem ein­fa­chen Volk nicht so wichtig sind. Bei­spiels­weise spreche ich mit meinen Freunden nicht über die Kosovo-Frage; wir reden dar­über, wer mit wem zusammen ist, wer wes­wegen leidet usw. Wichtig ist auch, dass das ein­fache Volk keine Mög­lich­keit hat, diese Fragen zu lösen.

 

P.B.: In diesem Sinne ist auch die Ansprache an den Herrn General, „die roten Pfingst­rosen blühen in [Mädchen-]Höschen“, zu verstehen? 

 

R.P.: Die Pfingst­rosen sind ein Symbol der ser­bi­schen leid­vollen Nie­der­lage am Amsel­feld. Wir haben diesen Mythos, dass nach der Schlacht Pfingst­rosen aus dem Blut ser­bi­scher Gefal­lener erwuchsen. Das auf­zu­greifen, ist sehr pro­vo­kativ und ich wurde von ser­bisch-orthodox Gläu­bigen und der poli­ti­schen Rechten auch scharf ver­ur­teilt. Ich war das Haupt­thema auf Twitter, ich wurde zum kon­tro­vers­testen Gast der Sen­dung „24 Minuten“ von Zoran Kesić. Er mode­riert diese Show seit Jahren, die sehr links gerichtet ist. Nachdem ich das Gedicht in der Sen­dung vorlas, beschul­digten mich Rechte, Kosovo ver­raten zu haben, mit meinen 23 Jahren. Ich wusste, dass diese Meta­pher sehr explosiv ist, aber es kommt darauf an, wie man das ver­steht: Wenn man es so inter­pre­tiert, dass eine ganze Nation aus weib­li­chen Fort­pflan­zungs­or­ganen ent­steht, kann dies ein Symbol der Macht sein. Aber sie ent­schieden sich dazu, es statt­dessen als Symbol der Scham und der Her­ab­set­zung eines natio­nalen Mythos zu ver­stehen. Es war also eine Ent­schei­dung, negativ zu interpretieren.

Quelle des Bei­trags­bildes: Rad­mila Petrović 2021, © Marija Strajnić.

Die fol­genden Über­set­zungen sind von Rebekah Man­love und Phi­line Bick­hardt im Rahmen der Som­mer­schule “Kri­sen­sze­na­rien und (junge) Lite­ratur” in Halle 2021 ange­fer­tigt worden.

Devojka koja ne veruje u mitove

 

 

kod pro­ročice smo išli

tata, mama i ja

rekla je biću muško

i nešto veliko

spasla mi je život

 

devo­jčice koje se ovako rode

ne poz­naju bogove

za sedmi rođendan

kolju petla na panju

 

ne koriste maskaru

nego masat i fran­cuski ključ

voze traktor

cede čvarke

i jedu kavurmu

 

to su one dugo­noge devojke

što same šetaju

dok se prve pahulje tope

na krovu hotela Moskva

 

priđi im samo ako mozes

zavo­leti mus­karca u njima

 

 

 

 

 

Dva minuta bez poezije

 

znam, mama,

dali ste sve od sebe

ali sa mnom je krenulo

kao kad se Sar­uija telila

- nao­pako

 

a bila sam dobra u školi

uvek petice, dak generacije

 

a sad, kojim čes me tra­vama lečiti

od topline njenih usana

 

za ras­puste sam bora­vila na njivi

svi drugi na moru

sad znam da naj­tuž­nije leto

nije ono pro­ve­deno u malinama

 

deda je prodao tele

i kući nije dolazio dok ga nije propio

 

i ne samo toliku rakiju

popio je čitavo imanje

bez­briz­nost tvog detinjstva

baba je zbog njega prerano završila

 

neko će za to ispaštati

komšije su često govorile

 

mama, jesam li ja taj neko?

 

 

 

 

 

Srp­kinja sam, al‘ mi Kosovo nije u srcu, nego ti 

 

tata je prvo kukao na dedu

što nije hteo

ni u četnike

ni u partizane

pa su ga gan­jali i jedini i drugi

 

onda na predsednika

 

uvek na Ameriku

 

ovde se u rat išlo ako nemaš

vezu u vojnom odseku

 

gene­rale

pobe­dili bismo da si znao

 

jedna zal­jubljena žena

opas­nija je od NATO tenka

 

pro­tiv­ra­ketnu zaštitu

nosi u grudima

 

bokove uvek drži

u bor­benom položaju

 

sreće ima toliko

da šti­klom ne potrefi minu

 

pobogu čoveče, nas­pa­vajte se

 

u vezi s kosovskim pitanjem

gene­rale

 

božuri cve­taju

 

u mojim gaćicama

 

 

 

 

 

 

Moja mama zna šta se dešava u gradovima

 

moja mama nema sina

nema overenu zdravst­venu knjižicu

njeno srce nije od čelika

 

surutka joj teče pod prstima

samoća se raz­listava u sta­bljike kupusa

 

i samo je motika ost­avlja bez daha

 

ona zna da su tatine ruke arm­i­rani beton

reči crni luk blizu očiju

 

razume jezik bilja

ima odgovor na pitanje zemlje

ali ćuti

 

ovde čudan znači dobar

a budak znači smrt

 

moja mama nema sina da je zaštiti

 

razumno je bilo jedino napus­titi nas

 

nao­pako, mama

šta bi tek od mene bilo da si otišla

 

 

 

 

 

Jezik bilja

 

mama, sanjam livade

jut­arnje izvođenje krava

kiše od kojih se grana

i narasta naš jezik bilja

 

oko čijeg će se vrata obaviti

reče­nice-bršl­jani

kad rast­vore fasade poro­dičnih kuća

 

mama, živim u gradu

ali ja sam rudar

zatrpan pitan­jima zemlje

 

koja se do sada

nas­leđi­vala po muškoj liniji

a kad sam se rodila

ona je postala miraz

 

u suton se međe

ocr­ta­vaju na mojim dlanovima

 

poput zvuka vode

sekundu pre ključanja

tako čujem bujanje naših biljaka

neke su reči toliko nežne

da ih čuvamo u plastenicima

 

da li da im otkri­jemo, mama?

 

jezik bilja

nema veze s tim odakle ste

 

jezikom bilja govore majka i ćerka

kad ne pričaju dovoljno

Das Mäd­chen, das nicht an Mythen glaubt

 

 

zur pro­phetin gingen wir

papa, mama und ich

sie sagte, ich werde männ­lich sein

und etwas großes

sie ret­tete mir das leben

 

mäd­chen, die so geboren sind

kennen die götter nicht

zum siebten geburtstag

schlachten sie den hahn auf einem baumstumpf

 

wim­pern­tu­sche nutzen sie nicht

son­dern wetz­stab und schraubenschlüssel

fahren traktor

pressen schwei­negriebe aus

und essen kavurma

 

das sind diese lang­bei­nigen mädchen

die alleine spa­zieren gehen

wäh­rend die ersten flo­cken schmelzen

auf dem dach des hotels “Moskva”

 

nähere dich ihnen nur, wenn du dich

in den mann in ihnen ver­lieben kannst

 

 

Über­setzt von Phi­line Bickhardt

 

 

Zwei Minuten ohne Poesie

 

ich weiß, mama,

ihr habt alles von euch gegeben

bei mir gings so los,

wie bei Sar­ulja  als sie kalbte

- kopf­über

 

in der schule war ich gut

immer einsen, jahrgangsbeste

 

aber jetzt, mit wel­chen kräu­tern wirst du mich

von der wärme ihrer lippen heilen?

 

für die ferien blieb ich auf dem feld

alle anderen am meer

jetzt weiß ich, dass der in him­beeren ver­brachte sommer nicht der trau­rigste ist

 

opa hat das kalb verkauft

und er kam nicht eher nach hause, bis er es nicht ver­soffen hatte

 

und nicht nur so viel rakija

er hat den ganzen hof vertrunken

die unbe­schwert­heit deiner kindheit

oma ist wegen ihm vor­zeitig von uns gegangen

 

jemand wird es ausbaden

haben die nach­barn oft gesagt

 

mama, bin ich dieser jemand?

 

 

Über­setzt von Phi­line Bickhardt

 

 

Ich bin Serbin, aber nicht der Kosovo ist in meinem Herzen, son­dern du 

 

papa hat über opa geklagt

weil er weder zu den tschetniks

noch zu den par­ti­sanen wollte

so jagten ihn die einen wie die anderen

 

 

dann über den präsidenten

 

immer über Amerika

 

hier zogst du in den krieg, wenn du keine

bezie­hungen zum militär hattest

 

herr general

wir hätten gesiegt, hät­test du gewusst

 

eine ver­liebte frau

ist gefähr­li­cher als ein NATO panzer

 

ein rake­ten­ab­wehr­system

trägt sie in den brüsten

 

die hüften hält sie immer

in kampf­stel­lung

 

sie hat so viel glück

dass ihr absatz keine mine trifft

 

um got­tes­willen mensch, schlafen sie sich aus

 

und in ver­bin­dung mit der kosovo frage

herr general

 

rote pfingst­rosen blühen

 

in meinem höschen

 

 

Über­setzt von Rebekah Manlove

 

 

Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht 

 

meine mama hat keinen sohn

sie hat keine gül­tige krankenversicherung

ihr herz ist nicht aus stein

 

molke fließt ihr unter den fingern

ein­sam­keit ent­blät­tert sich in kohlstrünken

 

und nur die hacke lässt sie atemlos zurück

 

die weiß, papas arme sind stahlbeton

worte zwie­beln nah der augen

 

sie ver­steht die pflanzensprache

hat die ant­wort auf die frage der erde

aber schweigt

 

hier bedeutet merk­würdig gut

und spitz­hacke bedeutet tod

 

meine mama hat keinen sohn, der sie beschützt

 

ver­nünftig war nur uns zu verlassen

 

ande­rer­seits, mama

was wäre bloß aus mir geworden, wärst du gegangen

 

 

Über­setzt von Rebekah Manlove

 

 

Pflan­zen­sprache

 

mama, ich träume von wiesen

dem mor­gend­li­chen aus­führen der kühe

dem regen, durch ihn ver­zweigt sich

und wächst unsere pflanzensprache

 

um wessen hals werden sich

efeu-sätze ranken

wenn sie die fas­saden der fami­li­en­häuser auflösen

 

mama, ich wohne in der stadt

aber ich bin bergarbeiter

begraben von fragen der erde

 

bisher

in männ­li­cher linie vererbt

wurde sie nach meiner geburt

zur mit­gift

 

in der däm­me­rung zeichnen sich die feldgrenzen

auf meinen hand­flä­chen ab

 

wie das geräusch von wasser

eine sekunde vor dem brodeln

so höre ich das gedeihen unserer pflanzen

manche worte sind so sanft,

dass wir sie in gewächs­häu­sern schonen

 

sollen wir es ihnen sagen, mama?

 

pflan­zen­sprache

es hat nichts mit eurer her­kunft zu tun

 

pflan­zen­sprache spre­chen mutter und tochter

wenn sie nicht genug reden

 

 

Über­setzt von Phi­line Bick­hardt und Rebekah Manlove

Ori­ginal: Rad­mila Petrović: „Moja mama zna šta se dešava u gra­do­vima“. Beograd: PPM Enklava 2020.