Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

“A Few Ways to Lose a Fri­end­ship” – eine grenz­über­schrei­tende Online-Pre­miere im Corona-Winter 2020/21

Dank der Pan­demie hat das seit 2014 betrie­bene Doku­men­tar­thea­ter­pro­jekt von Michail Kalužskij end­lich die rich­tige Form und Aus­füh­rung gefunden: Am 9. Dezember 2020 fand die Pre­miere seines Stücks „A Few Ways To Lose a Fri­end­ship” auf der Video­kon­fe­renz-Platt­form Zoom statt. In Koope­ra­tion mit der Pro­du­zentin Evgenia Šer­menëva wurde ein inter­na­tio­nales rus­sisch­spra­chiges Team aus Thea­ter­schaf­fenden aus sieben ost­eu­ro­päi­schen Län­dern berufen, um die Online-Lesung zu rea­li­sieren. novinki ist dem nachgegangen, wie der vir­tu­elle Raum zu einem selb­stän­digen poe­ti­schen und ästhe­ti­schen Ele­ment der Insze­nie­rung wurde.

 

Das Doku­men­tar­thea­ter­stück „A Few Ways To Lose a Fri­end­ship” von Michail Kalužskij (geb. 1967 in Novo­si­birsk), einem in Berlin lebenden Dra­ma­turgen und Publi­zisten, ist eine Samm­lung von per­sön­li­chen Dramen im Minia­tur­format. Es sind nicht erfun­dene Bekennt­nisse von Men­schen, deren enge Ver­bin­dungen zu Freund_innen einer anderen Natio­na­lität oder poli­ti­schen Gesin­nung mit einem Mal auf­grund von Kriegen, mili­tä­ri­schen Kon­flikten und anderen medialen Ereig­nissen kaputt gegangen sind.

In ihren Bekennt­nissen äußern die Men­schen keinen Hass auf die anderen und weisen nicht mit erho­benem Zei­ge­finger auf den Schul­digen. Ihre Geschichten sind voller Wehmut, Schmerz und Rat­lo­sig­keit dar­über, wie ehe­mals enge und ihnen ver­traute Men­schen plötz­lich zu ihren Feinden werden konnten.

 

…Тебе лучше уйти. И не уверена, что тебе стоит приходить сюда.
…Но написать ему что-то примирительное пока не могу. Уже шестой год не могу.
…Брат говорит: “Нельзя с ним общаться, сотри номер”. Я, конечно, не стал, но недавно вижу — нет номера. Наверное, брат стер.

 

…Es ist besser, du gehst. Und ich denke nicht, dass du wie­der­kommen sollst.
…Ich schaffe es ein­fach nicht, ihm etwas Ver­söh­nendes zu schreiben. Schon seit sechs Jahren nicht.
… Mein Bruder sagte zu mir: „Du sollst ihn nicht mehr kon­tak­tieren. Lösche seine Nummer“. Das habe ich nicht gemacht, aber vor einiger Zeit sehe ich, dass die Nummer aus meinen Kon­takten weg ist. Anschei­nend hatte sie mein Bruder gelöscht.

 

Die Texte für sein Stück hat Kalužskij in Form von Inter­views gesam­melt, oder manchmal ein­fach im Stra­ßen­café mit­ge­hört und auf­ge­schrieben, und danach mit einigen Hand­griffen nach dra­ma­tur­gi­schen Regeln bear­beitet (so wurden z.B. aus man­chen Mono­logen – Dia­loge, und aus man­chen Dia­logen – Mono­loge). Manche Bei­träge wurden anony­mi­siert und unter einen fik­tiven Namen gestellt, wäh­rend andere mit dem rich­tigen Namen der inter­viewten Person im Thea­ter­stück prä­sen­tiert werden.

Die auf diese Weise ent­stan­denen Kurz­ge­schichten berühren durch ihre Unmit­tel­bar­keit: Sie betreffen sowohl poli­ti­sche Krisen, die seit geraumer Zeit im Bewusst­sein der Öffent­lich­keit prä­sent sind, wie der Krieg in der Ukraine, als auch solche, die erst vor kurzem wieder Schlag­zeilen gemacht haben, wie zum Bei­spiel die neue Eska­la­tion des Kon­flikts zwi­schen Arme­nien und Aser­bai­dschan im Sep­tember 2020.

Das Pro­jekt geht auf eine Mas­ter­class zurück, die Kalužskij bereits im April 2014 im Rahmen eines Doku­men­tar­film- und Thea­ter­fes­ti­vals in Tekali (Geor­gien) gegeben hat. Die Inter­views, die er damals mit Festivalteilnehmer_innen aus Aser­bai­dschan, Arme­nien und Geor­gien gemacht hat, bil­deten die Mate­ri­al­basis des Stücks. Später kamen noch Gespräche mit rus­si­schen und deut­schen Kolleg_innen hinzu.

Dann kam das Jahr 2015 und die Anne­xion der Krim. Auch hier gingen aus poli­ti­schen Gründen viele Freund­schaften zu Bruch, sowohl inner­halb der Ukraine, als auch zwi­schen den Län­dern. Für den aus poli­ti­schen Gründen aus Russ­land emi­grierten Kalužskij wurde die Arbeit an diesem Pro­jekt zu einem per­sön­li­chen Anliegen. Der erschre­ckend unver­söhn­liche Ton von man­chen radi­kalen Befürworter_innen des rus­si­schen Krieges in der Ukraine und die schiere Unbe­greif­lich­keit ihrer Gedanken und Ein­stel­lungen war für die Gegner der mili­tä­ri­schen Inva­sion wie ihn und für die Aktivist_innen des Majdan schlichtweg traumatisierend.

 

…Так и сказал. Вот когда Игорь будет считать эту войну со стороны России справедливой и священной, вот тогда и встретимся.

 

…Genau so hat er das gesagt. Erst wenn Igor‘ zugibt, dass der rus­si­sche Krieg in der Ukraine gerecht und heilig ist, dann werden wir uns wieder unter­halten können.

 

Kalužs­kijs eigene bit­tere Erfah­rung blieb über einen län­geren Zeit­raum Motor und Antriebs­kraft, um weiter an der Geschich­ten­samm­lung zu arbeiten. Auch seine eigenen Erzäh­lungen wurden in die Text­samm­lung auf­ge­nommen. Als im Sep­tember 2020 der Krieg in Berg-Kara­bach aus­brach, wusste er, dass er hier für sein Pro­jekt wieder fündig wird. Erneut machte er sich auf die Suche nach Men­schen, um sie nach ihren ver­lo­renen Freund­schaften zu fragen. Und so sind in das Stück wei­tere Dia­loge und Mono­loge ein­ge­flossen, die auf eine berüh­rende Weise die Trau­ma­ti­sie­rung der Armenier_innen und der Aserbaidschaner_innen zeigen und auch die Ver­lo­ren­heit von Men­schen, die in ihrer jewei­ligen Ideo­logie oder Denk­weise gefangen sind:

 

…Все изменилось буквально за один день. Уровень озлобления и ненависти тогда ещё не дошел до высшей точки, но кровопролитие уже началось. И было понятно, что всё необратимо. Я забежала к своей армянской подруге-соседке и закричала: Собирайтесь быстрее, мы поможем вам уехать. Мой муж довезет вас до границы. А потом добавила: Но.…мы больше никогда не будем друзьями. Вот так просто. Мне даже не пришло в голову закончить эту фразу банальным ‚к сожалению‘.

 

…Buch­stäb­lich an einem Tag hat sich die Welt umge­dreht. Der gegen­sei­tige Hass und Erbit­te­rung hatten damals noch nicht ihren Höhe­punkt erreicht, aber das Blut­ver­gießen hat schon begonnen. Und es war klar, dass es unum­gäng­lich war. Ich rannte zu meiner arme­ni­schen Nach­barin und Freundin und schrie: Packt eure Sachen, wir helfen euch schnell von hier weg­zu­kommen. Mein Mann fährt sie bis zur Grenze mit dem Auto. Und dann fügte ich hinzu: Aber… wir werden nie­mals wieder Freunde sein können. Ein­fach so. Mir kam in dem Moment nicht einmal in den Sinn, diesen Satz mit einem banalen „leider“ abzuschließen. 

 

Dass das Stück, das am 9. Dezember 2020 auf der Video­platt­fort ZOOM Pre­miere gefeiert hat, gerade im Online-Format an Aus­drucks­kraft gewonnen hat, ist Ergebnis der Koope­ra­tion zwi­schen Michail Kalužskij und Evge­nija Šer­menëva (geb. 1967 in Moskau), einer erfah­renen Thea­ter­ma­cherin und Pro­du­zentin, die in Moskau zehn Jahre lang das inter­na­tio­nale Thea­ter­fes­tival NET (New Euro­pean Theatre) sowie das Fes­tival für zeit­ge­nös­si­sche Kunst „Ter­ri­to­rija“ geleitet hat, bei denen u.a. Werke von deut­schen Thea­ter­re­gis­seuren gezeigt wurden, wie z.B. von Thomas Oster­meier. Auch sie lebt seit vielen Jahren im Aus­land – Riga ist zu ihrer neuen Heimat geworden, wo sie den Anschluss an das dor­tige gemischte rus­sisch-let­ti­sche Kul­tur­mi­lieau gefunden hat. Seit Beginn der Pan­demie orga­ni­siert sie von dort trans­kul­tu­relle Ver­an­stal­tungen via ZOOM. Die Rea­li­sie­rung von groß­for­ma­tigen Thea­ter­pro­jekten in rus­si­scher Sprache im Online-Format (u.a. in Belarus, der Ukraine, Est­land, Litauen, Lett­land und Geor­gien) ist in diesem Jahr zu ihrem Ste­cken­pferd geworden.

Trotz ihrer Bekannt­schaft in Moskau haben sich die beiden erst im Aus­land als Kolleg_innen gefunden. Im Sommer 2020, als Evgen­jija ihre Zoom-Pro­jekte eins nach dem anderen rea­li­sierte (bis zu 2 pro Monat), kam ihr und Michail die Idee, dass sein Stück für eine Online-Lesung wie gemacht zu sein scheint.

Dabei war­tete das Pro­jekt schon seit langem auf eine pas­sende Insze­nie­rungs­mög­lich­keit. Schon früh war es Kalužskij klar, dass das ange­sam­melte Sprach­ma­te­rial sich nicht beson­ders gut zum Lesen auf der Bühne in einem großen Saal eig­nete. Er expe­ri­men­tierte mit ver­schie­denen For­maten, konnte aber keine mit dem Text orga­nisch har­mo­nie­rende Rah­mung finden. Zum ersten Mal wurde das Stück in Form einer sze­ni­schen Lesung im Sak­harov-Zen­trum in Moskau gezeigt, danach, im Herbst 2015, wurde es als inter­ak­tives Thea­ter­stück mit neuen Inter­views im Helena-Rubin­stein-Pavil­lion für Zeit­ge­nös­si­sche Kunst des Tel Aviv Museum of Art realisiert.

Doch erst mit den Proben im Zoom-Format im Sommer 2020 war end­lich das Gefühl da, dass hiermit das pas­sende Medium gefunden war, um solche Dia­loge einem grö­ßeren Publikum zu zeigen. Denn die Video-Platt­form hatte genau die not­wen­digen ästhe­ti­schen Rah­men­be­din­gungen geschaffen, die den Inhalt der Dia­loge der Protagonist_innen kri­tisch unter­malen und inten­si­vieren konnten.

 

 

Zum Einen spie­geln sich die Mei­nungs­un­ter­schiede und die ver­schie­denen Sicht­weisen auf Politik der Protagonist_innen in der phy­si­schen Distanz und Getrennt­heit der Schauspieler_innen wider, die tat­säch­lich viele tau­send Kilo­meter von­ein­ander getrennt vor ihren Web­ka­meras gespielt haben. Die Köpfe in den Käst­chen, jede Person in ihrer eigenen Mei­nungs­blase, ohne einen Weg nach ‚Draußen‘, das unter­stützt die Dra­matik und die Pointe jedes Dia­logs. Das Nicht-Mit­ein­ander-Spre­chen-Können wird so jedes Mal aufs Neue auf dezente Weise unterstrichen.

Zum Anderen wird der Kon­takt zwi­schen den Men­schen per se in seiner Fra­gi­lität und Insta­bi­lität auf­ge­zeigt, da er de facto von der Qua­lität der Netz­ver­bin­dung abhängt. Genauso fragil zeigte sich das Ver­ständnis und Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen den Figuren. Manchmal ent­wich das bisher vor­han­dene gegen­sei­tige Ver­ständnis zwi­schen den Zeilen und Sätzen, bis der Mei­nungs­streit abrupt in Eska­la­tion überging.

Schließ­lich kann die visu­elle Dar­stel­lung der Schauspieler_innen in den recht­eckigen Fens­tern des Zoom-Inter­faces auch als ein weit­rei­chender Kom­mentar zur mög­li­chen Ursache der Ver­meh­rung von sol­chen Kon­flikten überall auf der Welt gelesen werden. Denn mitt­ler­weile ist eine solche Situa­tion nicht nur für den ehe­ma­ligen Ost­block typisch: Starke Mei­nungs­un­ter­schiede werden überall zur Ursache von radi­kalen Spal­tungen der Gesell­schaft. Dies gilt für Deutsch­land seit dem Auf­stieg der AfD nach der soge­nannten ‘Flücht­lings­krise‘ im Jahr 2015 oder für die USA der Jahre 2016–2020, wo die Ein­stel­lung gegen­über Trump gera­dezu zu einem Baro­meter wurde, nach dem man neue Bekannt­schaften ein­schätzte und alte Freunde aus dem Freun­des­kreis verbannte.

Gerade dank des Inter­nets und der mul­ti­pli­zierten Medi­en­welten wird die Zer­split­te­rung der Gesell­schaft vor­an­ge­trieben, indem jeder Person wie einem Kon­su­menten nur die Inhalte vor­schlagen werden, die ihn sowieso inter­es­sieren, und so seine poli­ti­schen Inter­essen zuspitzen und die Hin­ter­fra­gung seiner Mei­nung und somit eine Öff­nung nach außen unmög­lich machen. Der schein­bare Luxus, sich ein Infor­ma­ti­ons­me­dium nach Geschmack aus­zu­su­chen, von dem man nur bekommt, was man gerne hätte, führt unwei­ger­lich zu immer mehr Konsensunfähigkeit.

Tat­säch­lich fanden viele der Gespräche, die in „A Few Ways to Lose a Fri­end­ship“ neu insze­niert werden, in den sozialen Medien statt, welche als Ort des Aus­tra­gens von Kon­flikten und Mei­nungs­un­ter­schieden immer mehr einem Schlacht­feld gleich aussehen:

 

…Мы никогда не поймем взгляды друг друга. Меня тут оскорбляют. Я больше не буду комментировать твои статусы. Нам нужна дистанция.

…Wir werden die Ansichten des jeweils anderen nie­mals ver­stehen. Hier werde ich nur belei­digt, und ich werden keine deiner Posts mehr kom­men­tieren. Wir brau­chen Distanz.

 

Das Thea­ter­stück reflek­tiert indi­rekt, wie unser indi­vi­du­elles Ver­halten in der Infor­ma­tions-Konsum-Land­schaft, zu der alle dank des Inter­nets freien Zugang haben, zu einem sich stets ver­fes­ti­genden Mei­nungs­dis­sens führt. Es macht eine Bestands­auf­nahme und zeigt eine emo­tio­nale Karte der Trauer und der Ver­lo­ren­heit, welche auf poli­ti­scher Ebene auch als eine kri­ti­sche Moment­auf­nahme gedeutet werden kann.

Und trotzdem erzählt die Insze­nie­rungs­ge­schichte dieses Stücks von einem Erfolg, und es spendet Trost in der Hin­sicht, dass es zeigt, dass es vielen Men­schen in der heu­tigen Welt ähn­lich geht. Wie auch in vielen wei­teren Thea­ter­pro­jekten von Evge­nija Šer­menëva dient das Rus­si­sche bei der Insze­nie­rung von Michail Kalužs­kijs Doku­men­tar­thea­ter­stück als Lingua Franca und steht dabei nicht für eine Kul­tur­he­ge­monie son­dern für Ver­bin­dung und Brücke zwi­schen ver­schie­denen Kul­turen und Iden­ti­täten, trotz der bestehenden geo­po­li­ti­schen Konflikte.

An der Lesung waren ins­ge­samt 17 Schauspieler_innen[1] aus sieben Län­dern (Lett­land, Litauen, Belarus, Urkaine, Bul­ga­rien, Israel, Russ­land) betei­ligt. Zu den Koope­ra­ti­ons­part­nern zählen u.a. das CSM DAKH aus Kiev, das Malenki-Theater aus Tel Aviv und das Ivan-Radoev-Theater aus dem bul­ga­ri­schen Pleven. Die Mehr­heit der Schau­spie­lenden wohnt dort, wo das Rus­si­sche nicht die Sprache der Mehr­heit der Bevöl­ke­rung ist. Für sie ist das Rus­si­sche oft ent­weder ihre zweite Mut­ter­sprache oder ihre erste Fremd­sprache. Das Rus­si­sche dieses Thea­ter­stücks ist nicht ‚glatt‘: es zeigt eine bunte Palette an Akzenten und Into­na­tionen, die der Diver­sität der Spre­chenden ent­spricht. Einige haben einen kom­plexen Migra­ti­ons­hin­ter­grund (oft mit Ver­bin­dungen nach Deutsch­land), eignen sich diese Sprache indi­vi­duell an und durch­bre­chen somit die Ste­reo­ty­pi­sie­rung der ‚schönen Rede‘ wie sie bei­spiels­weise von den staat­li­chen rus­si­schen Medien und Insti­tu­tionen ver­mit­telt wird. Hier zeigt sich eine Sprache, die früher in der Sowjet­zeit oder auch heute spä­tes­tens seit dem Majdan von vielen als Unter­drü­ckungs­me­cha­nismus wahr­ge­nommen wurde, als ein Mittel zur Ver­bin­dung und Ver­net­zung, zur Ver­stän­di­gung und Koope­ra­tion über geo­gra­fi­sche Grenzen hinweg.

Für die meisten Schauspieler_innen in diesem Stück fanden das Ken­nen­lernen und alle Proben bis zur Pre­miere wegen der Pan­demie nur online statt. Die Pro­duk­ti­vität und Pro­fes­sio­na­lität ihrer Arbeit machte sogar den Regis­seur Kalužskij stutzig. „Bei man­chen hat die Chemie so gut gestimmt, dass ich nicht glauben konnte, dass sie sich gerade eben im Zoom-Raum ken­nen­ge­lernt haben“. So sind dank der Arbeit an einem Stück, das vom Ver­lust der Freund­schaften erzählt, den­noch viele neue Freund­schaften übers Internet geschlossen worden.

Obwohl dieses Thema in den nächsten Jahr­zehnten bestimmt nicht aus der ‚Mode‘ kommen wird, fühlt sich dieser Arbeits­ab­schnitt für Kalužskij erstmal als abge­schlossen an. Dank der Pan­demie hat der Text die rich­tige Form und Aus­füh­rung gefunden, womit dieses Pro­jekt jetzt für eine Weile ruhen kann, bis der Thea­ter­re­gis­seur neue Zugänge zu diesem Thema erproben wird.

 

Michail Kalužskij ist außerdem als Jour­na­list, Kurator und Men­schen­rechts­ak­ti­vist tätig. Er ist Autor von zahl­rei­chen Arti­keln (u.a. bei Open­De­mo­cracy). Zwi­schen 2010 und 2012 kura­tierte er Doku­men­tar­theater-Pro­jekte am Joseph-Beuys-Theater in Moskau und zwi­schen 2012 und 2014 das Theater-Pro­gramm im Sak­harov-Zen­trum. Kalužskij arbeitet oft an der Grenze zwi­schen ver­schie­denen Medien und Dis­zi­plinen (Vgl. das Stück „Voss­tanie“, dt. Auf­stand (2016), insze­niert im Tom­sker Regio­nalen Museum für Hei­mat­kunde) und nutzt die Tech­niken des doku­men­ta­ri­schen Thea­ters als Mittel, um aktu­elle gesell­schaft­liche Pro­bleme zu adres­sieren. Zu den domi­nanten Themen in seinen Werken gehört die Ver­ar­bei­tung von trau­ma­ti­scher Geschichte, wie z.B. im Stück „Grand­children. Second Act“ (mit A. Poli­va­nova), in dem er sich mit dem kol­lek­tiven und indi­vi­du­ellen Gedächtnis der Gene­ra­tion der Enkel der Täter des sta­li­nis­ti­schen Regimes aus­ein­an­der­setzt. (Die eng­li­sche Über­set­zung ist 2014 bei Sputnik erschienen: http://sputniktheatre.co.uk/publications/).

Vor kurzem sind seine fik­tio­nalen und auto­bio­gra­phisch geprägten Skizzen unter dem Titel „Einige Geschichten. Frag­mente“ in der Kolumne von Ilja Daniševskij auf Snob.ru erschienen.

Sein neues Stück „Pos­lednie Ljudi“ (dt.: die letzten Men­schen), anläss­lich des 800-Jäh­rigen Jubi­läums von Nižnij Nov­gorod, wird unter Her­aus­gabe von Kirill Kobrin im Sam­mel­band „Pere­s­borka. Istorii goroda i ego ljudej“ (dt.: Neu­zu­sam­men­set­zung. Geschichten der Stadt und seiner Men­schen) im Jahr 2021 erscheinen.

 

Evgenia Šer­menëva ist Lei­terin der unab­hän­gigen Pro­duk­ti­ons­kom­pa­gnie KatlZ in Riga (gegründet im Jahre 2018). Eines ihrer Pro­jekte war bei dem dies­jäh­rigen Thea­ter­fes­tival POSTWEST an der Volks­bühne Berlin zu Gast. Über ihre wei­teren Pro­jekte kann man sich über den You­tube-Kanal von KatlZ infor­mieren. Unter den bemer­kens­werten Pro­duk­tionen dieses Jahres ist der fünf­stün­dige Lese­ma­ra­thon des Stücks von Mark Ravenhill SHOOT. GET TREASURE. REPEAT (in Rus­sisch, Let­tisch und Eng­lisch) zu erwähnen, orga­ni­siert in Unter­stüt­zung der Pro­tes­tie­renden in Belarus.

Außerdem wurden in der Zeit der Pan­demie zwei Stücke von Marius Ivaške­vičius online rea­li­siert: „Spjaščie“ (dt.: die Schla­fenen) und „Obmorok“ (dt.: Ohn­macht) nach Svet­lana Ale­xie­vičs „Cin­kovye Mal’čiki“ (Zink­jungen).

 

Beide wurden unter Betei­li­gung von nam­haften rus­si­schen Schauspieler_innen (wie z.B. Lija Ahe­dža­kova) und mit einem Spen­den­aufruf für meh­rere gemein­nüt­zige Stif­tungen organisiert.

[1] In alpha­be­ti­scher Rei­hen­folge: Samira Adge­za­lova (Riga), Yulya Bern­gardte (Riga), Gin­taras Gra­jauskas (Klaipėda), Ilya Domanov (Tel-Aviv), Maria Dani­lyuk (Riga – Moskau), Mari­etta Kalo­pova (Pleven), Rus­lana Kha­zi­pova (Kiev), Ksenia Mar­kuze (Tel-Aviv), Vla­dimir Mir­zoev (Moskau), Ara­mais Mirakyan (Minsk), Genadiy Nikolov (Pleven), Iva Niko­lova (Pleven), Andriy Palatny (Kiev), Nikita Shche­t­inin (Moskau), Eka­te­rina Stoya­nova (Pleven), Andis Strods (Riga), Tetyana Troitska (Kiev).