Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Causa Julija Cvet­kova: Viva la Vulva gegen die Allianz von Staat und Kirche

Die rus­si­sche Akti­vistin und Thea­ter­re­gis­seurin Julija Cvet­kova ist nach drei Jahren Haus­ar­rest, Gerichts­pro­zessen und Bedro­hungen Ende November 2022 frei­ge­kommen. Als Akti­vistin für LGBT-Rechte ist sie kein Ein­zel­fall. Queere Men­schen werden als „stö­rende Ver­west­li­chung“ dif­fa­miert, das macht sie beson­ders wäh­rend des Rus­sisch-Ukrai­ni­schen Krieges zur öffent­li­chen Ziel­scheibe und zur Exem­pli­fi­zie­rung des Feindes im Inneren.

novinki stellt Cvet­kovas viel­sei­tiges Schaffen vor.

 

Der Fall Julija Cvet­kova [Yulia Tsvet­kova], eine rus­si­sche Künst­lerin, Akti­vistin und Jugend­theater-Regis­seurin, sorgte die letzten drei-vier Jahre für inter­na­tio­nale Empö­rung und Anteil­nahme. Für das Erstellen und Ver­öf­fent­li­chen queer-femi­nis­ti­scher Zeich­nungen u.a. in sozialen Medien drohten der jungen Akti­vistin aus Cha­ba­rowsk bis zu sechs Jahre Haft. Ende November 2022 kam Bewe­gung in das Ver­fahren und mit ihr die Erleich­te­rung: Frei­spruch. Eine zyni­sche Geste, denn am Tag des Frei­spruchs lagen Haus­ar­rest und Straf­ver­fahren am 22. November 2019 genau drei Jahre zurück. Ihr Fall steht bei­spiel­haft für die rechts­na­tional-kon­ser­va­tive und auto­ri­täre Innen­po­litik Russ­lands, wie sie sich schon vor Beginn des rus­si­schen flä­chen­de­ckenden Angriffs­kriegs auf die Ukraine im Februar 2022 zu erkennen gab.

Als Julija Cvet­kova im November 2019 in ihrer Hei­mat­stadt Kom­so­molsk am Amur, im Osten Russ­lands, von der Polizei fest­ge­nommen und ver­hört wurde, sollten für sie Haus­ar­rest, meh­rere Gerichts­pro­zesse, Schi­kanen und ein Hun­ger­streik folgen. Auch Schi­kanen in Form einer ver­ord­neten psych­ia­tri­schen Unter­su­chung im Februar 2020 erlebte die queere Femi­nistin aus Cha­ba­rowsk. Der im Haupt­pro­zess erho­bene Vor­wurf lau­tete: „Her­stel­lung und Ver­brei­tung von por­no­gra­phi­schem Mate­rial“ nach Para­graf 242 (3b) des rus­si­schen Straf­ge­setz­buchs. Die Neben­an­klagen bezogen sich auf den Vor­wurf der Pro­pa­ganda „nicht-tra­di­tio­neller Bezie­hungen“. Nach drei­jäh­riger Pro­zess­dauer schließ­lich bestä­tigte Ende November 2022 das Land­ge­richt Cha­ba­rowsk in einer Beru­fungs­ver­hand­lung den im Juli 2022 in erster Instanz durch­ge­brachten Frei­spruch – und das trotz viel­fa­cher Bemü­hungen der Staats­an­walt­schaft, die das Ver­fahren immer wieder zu ver­län­gern ver­sucht hatte. Neben dem Haupt­ver­fahren wurde sie aller­dings im Rahmen dreier wei­terer Anklagen mit Geld­strafen belegt. Im Falle einer Ver­ur­tei­lung in allen Ver­fahren hätten Cvet­kova schlimms­ten­falls bis zu sechs Jahren Straf­lager-Haft gedroht.

Queere Men­schen als „west­li­cher“ Feind im Inneren 

Men­schen mit diversen sexu­ellen Ori­en­tie­rungen werden infolge der Ver­ab­schie­dung eines neuen Gesetzes zum Verbot von Geschlechts­an­glei­chung vom 13. Juli 2023 end­gültig kri­mi­na­li­siert: Schon zuvor war queeren Men­schen schlichtweg die Exis­tenz unter­sagt, queere Bezie­hungen durften nicht mehr gelebt werden, trans­se­xu­elle Men­schen mussten sich ver­ste­cken. Selbst jed­wedes Spre­chen über Homo­se­xua­lität oder Trans­ge­schlecht­lich­keit galt bereits als „west­liche“ und somit feind­liche Pro­pa­ganda – und wurde im Dezember 2022 (ein Monat nach Cvet­kovas Ent­las­sung) in einer Geset­zes­än­de­rung mit Pädo­philie gleich­ge­setzt. Doch nun sind auch Ope­ra­tionen und Hor­mon­be­hand­lungen, die nötig sind, um das Geschlecht anzu­glei­chen, gesetz­lich ver­boten. Trans und Inter darf es dem Kreml’ zufolge nicht geben.

All diese recht­li­chen Ver­schär­fungen gehen auf das 2013 in Kraft getre­tene „Gesetz zum Verbot der Pro­pa­gie­rung nicht­tra­di­tio­neller sexu­eller Bezie­hungen“ zurück, das bis Dezember 2022 bloß für Min­der­jäh­rige galt. Die Alters­an­gabe 18+, derer sich NGOs und Medien u.a. zur Legi­ti­mie­rung gegen­über dem Gesetz über die „Pro­pa­ganda für Bezie­hungen unter Min­der­jäh­rigen“ in Russ­land bedienten, konnte Cvet­kova aller­dings schon damals vor Gericht nicht vor der Willkür des Staates schützen.

Die Allianz von Kirche und Staat hat nicht nur den Weg zu einer breiten Akzep­tanz von Putins Krieg gegen die Ukraine geebnet. Durch ihren Ein­fluss hat sie u.a. die poli­tisch-moti­vierte Homo­phobie gesell­schafts­fähig gemacht. Nach dem Reli­gi­ons­so­zio­logen Detlef Pol­lack ist die Zahl derer, die sich mit der Ortho­doxie iden­ti­fi­zieren, von 1990 bis 2020 von einem Drittel auf mehr als zwei Drittel gestiegen; die Zahl der Gläu­bigen stieg von 44 auf 78 Pro­zent. Zusätz­lich zum Schul­fach Reli­gion, das eine freie Wahl der Kon­fes­sion gewähr­leis­tete, ist 2007 das Pflicht­fach „Grund­lagen der ortho­doxen Kultur“ an staat­li­chen Schulen hin­zu­ge­kommen. Auch die Stif­tung zur För­de­rung rus­si­scher Kultur „Russkij mir“ (Rus­si­sche Welt) wurde von der Rus­sisch-Ortho­doxen Kirche in Zusam­men­ar­beit mit rus­si­schen Polit­ideo­logen erar­beitet, die in über 29 Län­dern Ableger haben.

Patri­arch und Prä­si­dent geeint haben einen neuen „Natio­nal­stolz“ in Abgren­zung zum Westen und dessen Werten ent­wi­ckelt: „Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union wurde die Kirche zum Hoff­nungs­träger einer gede­mü­tigten Nation“ , sagt Detlef Pol­lack. Seit den 1990er Jahren pflegen rus­si­sche Intel­lek­tu­elle Kon­takte mit reli­giös moti­vierten fun­da­men­ta­lis­ti­schen Grup­pie­rungen der ganzen Welt; so fand bei­spiels­weise die Grün­dung des soge­nannten „World Con­gress of Fami­lies“ 1997 in Moskau in Koope­ra­tion zwi­schen dem Regie­rungs­ver­treter der dama­ligen Reagon-Regie­rung und den rus­si­schen Intel­lek­tu­ellen Ana­toly Antonov und Viktor Medkov statt. Seitdem hat sich diese Bewe­gung, mit Sitz in Rock­ford, Illi­nois, die Ver­tei­di­gung der „natür­li­chen Familie, defi­niert als hete­ro­se­xuell ver­hei­ra­tete Paare mit deren bio­lo­gi­schen Kin­dern“, zum Ziel gesetzt. Der dama­lige WCF-Geschäfts­führer Larry Jacobs bezeich­nete das rus­si­sche Pro­pa­ganda-Gesetz von 2013, das LGBT-Per­sonen daran hin­dern soll, dass Kinder ver­meint­lich kor­rum­piert werden könnten, eine „groß­ar­tige Idee“.

Rechte christ­liche inter­na­tio­nale Kräfte wissen sehr genau um die Allianz von Staat und Rus­sisch-Ortho­doxer Kirche, wenn sie – wie etwa der frü­here Pro­du­zent von Fox News und Mit­glied des WCF Jack Hanick – die rus­si­sche Ortho­doxie und den Bau von über 25.000 Kir­chen seit dem Zer­fall der Sowjet­union loben. Auch anderen homo­phoben, weißen, rechts­kon­ser­va­tiven Christen, so auch den Natio­na­listen Matthew Heim­bach, den Alt-Right Führer Richard Spencer oder dem Ku Klux Klan-Anwalt Sam Dickson, erscheint Russ­land mit seinem auf der Ortho­doxie basie­renden Natio­na­lismus als Ver­bün­deter für ein tra­di­tio­nelles bio­lo­gis­ti­sches Fami­li­en­bild und glo­bales Boll­werk des Chris­ten­tums gegen das freie Aus­leben unter­schied­li­cher sexu­eller Ori­en­tie­rungen, Bedürf­nisse und Beziehungen.

Julija Cvet­kova ist kein Ein­zel­fall: Akti­vis­ti­sche Kunst unter Beschuss 

In Reak­tion auf die absurde juris­ti­sche Ver­fol­gung der jungen Femi­nistin aus Cha­ba­rowsk sind lan­des­weit und inter­na­tional zahl­reiche Pro­teste orga­ni­siert worden. So fand im Sommer 2020 in Berlin im Rahmen des „Red Square“, einem trans­dis­zi­pli­nären Fes­tival für Akti­vismus und kri­ti­sche Kunst aus Ost­eu­ropa, eine Aus­stel­lung der Thea­ter­päd­agogin und Kura­torin Kyra Shmyreva‌ statt. Neben Stra­ßen­de­mons­tra­tionen vor der Rus­si­schen Bot­schaft gab es zudem digi­talen Sup­port: Aktivist_innen ver­brei­teten in Foren, auf Web­seiten und Social Media-Kanälen die Parolen: „Mein Körper ist keine Por­no­gra­phie” und „Mein Körper, meine Sache“. In Russ­land wurden Pro­teste, die „Frei­heit für Julija Cvet­kova“ ver­langten, brutal aufgelöst.

Amnesty Inter­na­tional sowie die in Russ­land bereits ver­bo­tene Orga­ni­sa­tion Memo­rial (kon­kret die inter­na­tio­nale Dach­or­ga­ni­sa­tion und das Mos­kauer Men­schen­rechts­zen­trum) stuften Cvet­kova auf­grund ihres äußerst bri­santen Falls als poli­ti­sche Gefan­gene ein. Sie erhielt Mord­dro­hungen, Poli­zisten ver­öf­fent­lichten ihre pri­vate Wohn­adresse und stellten ein Ver­neh­mungs­video ins Netz, in dem sie als „Lesbe, Sexu­al­trai­nerin und Pro­pa­gan­distin“ dif­fa­miert wird. Auch Cvet­kovas Mutter wurde Ziel von Atta­cken. Des­halb star­tete Amnesty Inter­na­tional einen supra­na­tio­nalen Aufruf zur Been­di­gung dieser repres­siven Maß­nahmen gegen sie. Der For­de­rung, Julija Cvet­kovas Arbeits- und Publi­ka­ti­ons­verbot auf­zu­heben und sie frei zu lassen, schlossen sich über 150 welt­weit agie­rende Kunst­schaf­fende an. Die öffent­lich-recht­liche BBC lis­tete Cvet­kova unter die hun­dert ein­fluss­reichsten Frauen des Jahres 2020.

Die inter­na­tio­nale Auf­merk­sam­keit blieb lange erfolglos: Ganz im Gegen­teil führte die inter­na­tio­nale Unter­stüt­zung dazu, dass Julija Cvet­kova zum „aus­län­di­schen Agenten“ erklärt wurde. Das Gesetz über „aus­län­di­sche Agenten“ hat seit 2012 unlieb­same NGOs adres­siert und ähn­lich wie das „Pro­pa­ganda-Gesetz“ über die Jahre eine Ver­schär­fung erfahren. Seit 2017 trifft es Medien, seit 2019 können Ein­zel­per­sonen zu „aus­län­di­schen Agenten“ erklärt werden, seit 2022 ist es noch will­kür­li­cher nach Inter­pre­ta­tion des Jus­tiz­mi­nis­te­riums einsetzbar.

Als Akti­vistin ist Julija Cvet­kova kein Ein­zel­fall: Seit 2013 hat sich in Russ­land die Lage für Queerfeminist_innen, Regen­bo­gen­fa­mi­lien und Men­schen­rechts­be­we­gungen grund­le­gend ver­schärft. Diese Ent­wick­lungen in der rus­si­schen Pro­vinz stehen im Kon­text zu anderen Regionen bzw. Län­dern Ost­eu­ropas; auch derer, die in der Euro­päi­schen Union sind. Die men­schen­ver­ach­tende Annahme, sexu­elle Ori­en­tie­rungen seien Ideo­lo­gien und west­li­cher „Life­style“, zeigte unter anderem in Polen schwer­wie­gende Folgen: Ein Drittel aller Kom­munen und Städte labelte sich seit 2019 als „LGBT-Ideo­logie-freie Zonen“. In Ungarn wurde die Geschlech­ter­for­schung als Mas­ter­stu­di­en­gang 2018 abge­schafft, außerdem wurde Bürger_innen die Ände­rung von Per­so­nen­stands­daten im Stan­desamt ver­boten. Die Ereig­nisse in Russ­land reihen sich in diesen Kul­tur­kampf ein – gehen in ihrer Funk­tion als Kriegs­stra­tegie jedoch deut­lich dar­über hinaus.

Akti­vis­ti­sches Balagan-Jugend­theater „Merak“ und Vulva-Monologe

Die Kinder- und Jugend­theater-Gruppe, die Julija Cvet­kova lei­tete und für welche sie auch diverse Stücke schrieb, wurde im März 2019 Ziel einer offen que­er­feind­li­chen Kam­pagne. Das Kon­zept des Jugend­thea­ters klingt bereits im Namen an. Die Gruppe erar­bei­tete ein diverses Per­for­man­ce­stück mit dem Titel „Blau und Rosa“ zum Abbau von gen­der­ba­sierten Vor­ur­teilen, Mob­bing und Dis­kri­mi­nie­rung. Ganz nach der Idee des durch Augusto Boal begrün­deten „For­um­thea­ters“ sollte dieses Stück das Publikum invol­vieren und Hand­lungs­im­pulse geben. Metho­disch werden hierbei Stra­te­gien der Selbst­er­mäch­ti­gung und ‑bestim­mung (sog. Empower­ment) ein­ge­setzt, um eine benach­tei­ligte und mar­gi­na­li­sierte Gruppe spre­chen lassen zu können. Die Jugend­li­chen im Alter von sieben bis sieb­zehn Jahren brachten eigene Ideen mit, aus denen dann unter Anlei­tung der Thea­ter­präd­agogin eigene Zugänge ent­wi­ckelt wurden. Nach Poli­zei­er­mitt­lungen durfte Cvet­kova ihre Arbeit nicht fort­setzen – und die Thea­ter­gruppe, die sie 2018 gegründet hatte, musste ihre Arbeit eben­falls ein­stellen. Der Vor­wurf „Pro­pa­ganda für nicht-tra­di­tio­nelle sexu­elle Bezie­hungen zwi­schen Min­der­jäh­rigen“ stand schmä­hend im Raum.

Die Bil­der­serie „Ženščina ne kukla“ (engl.: “A Woman Is Not A Doll“) widmet sich dem Thema der Kör­per­po­si­ti­vität, für die sie mit einer Geld­buße von 75.000 Rubel (in Euro nach jet­zigem Kurs ca. 747 Euro) ver­ur­teilt wurde – das ist nur einer von drei admi­nis­tra­tiven Pro­zessen neben der Haupt­an­klage. Für eben­jene Zeich­nungen wurde Cvet­kova nach Para­graf 242 (3b) des rus­si­schen Straf­ge­setz­buchs der „Her­stel­lung und Ver­brei­tung von por­no­gra­phi­schem Mate­rial“ bezich­tigt. Zu sehen sind selbst­be­wusst lächelnde weib­liche Figuren, die etwa menstru­ieren, schiefe Zähne haben, Behaa­rung, Falten, Speck­röll­chen, Kno­chen, Pickel, Mus­keln und viele wei­tere mensch­liche Nor­ma­li­täten. Auch diese Serie trägt eine akti­vis­ti­sche Hand­schrift, die Betrach­tende empowern will.

Ihre Zeich­nungen, die Cvet­kova in sozialen Netz­werken ver­öf­fent­lichte, betrachten sowohl die queer-femi­nis­ti­sche Künst­lerin als auch Kunstexpert_innen, wie etwa die rus­si­sche „Asso­zia­tion der Theater-Kri­tiker“ oder die ame­ri­ka­ni­sche Dra­ma­ti­kerin Eve Ensler, nicht als Por­no­grafie, son­dern berufen sich – unter Ver­weis auf Gemälde großer Meister von nackten Frauen, die in Museen der Welt zu sehen sind, – auf die Kunst­frei­heit. Viele pro­mi­nente Russ_innen aus dem Show- und Medi­en­ge­schäft, Menschenrechtler_innen und Politiker_innen hatten das Vor­gehen der Justiz gegen Cvet­kova ab 2019 ver­ur­teilt. Die Anklage und dro­hende Haft­strafe von sechs Jahren rief viel­fach Reak­tionen von Künstler_innen hervor, wie etwa von der zeit­ge­nös­si­schen rus­si­schen Dich­terin Galina Rymbu. Sie ver­öf­fent­lichte auf dem ukrai­ni­schen Portal ShO (shoizdat.com) das Gedicht „Moja vagina“ (dt.: „Meine Vagina“) mit der Hashtag-Mar­kie­rung unter­halb des Gedichts „Für Yulia“ (#заЮлю). Das Gedicht von Galina Rymbu spielt auch sti­lis­tisch an die von Yulia vor­mals betrie­bene gleich­na­mige Gruppe im rus­si­schen Face­book-Äqui­va­lent Vkon­takte „Mono­logi variny“ („Vagina-Mono­loge“) an, in dem sie durch Pos­tings ver­schie­dener künst­le­ri­scher Vagina- und Vulva-Dar­stel­lungen gegen Stig­ma­ti­sie­rung (wie etwa der Mens­trua­tion) vor­gehen und zur Erkun­dung des weib­li­chen Organs auf­rufen wollte.

Wenn auch von der aus­ge­bil­deten Thea­ter­päd­agogin Julija Cvet­kova selbst nicht aus­ge­wiesen, so stellen sich ihre Vagina-Mono­loge in die Tra­di­tion des gleich­na­migen Thea­ter­stücks und Buchs der New Yorker Thea­ter­au­torin Eve Ensler, The Vagina Mono­lo­gues, urauf­ge­führt als Solo-Per­for­mance in New York 1996. Drei­ein­halb Jahre wurde es anschlie­ßend am Off-Broadway gespielt, Ensler erhielt zahl­reise Preise. In Russ­land gab es Adap­tionen im DOK-Theater 2018 (Moskau) und im Kon­zert­saal des Museums Erarta-Scena 2016 (Sankt Petersburg).

In dem 2021 geschrie­benen Gedicht von Galina Rymbu avan­ciert die Vagina zu einer Kampf­an­sage: an Mili­ta­rismus, impe­ria­lis­ti­sche, von Män­nern gemachte Kriege und Macht­an­sprüche. Es liest sich unter den Vor­zei­chen des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukraine auch als ein femi­nis­ti­sches Anti­kriegs-Gedicht, von einer rus­sisch­spra­chigen und in Omsk gebo­renen Schrift­stel­lerin, die aller­dings seit vielen Jahren in Lwiw lebt und deren Groß­el­tern aus der Ukraine (Region Charkiw) nach dem ersten und zweiten Holo­domor nach Sibi­rien fliehen mussten. Cvet­kovas Theater „Merak“ hat sich im Übrigen auch als pazi­fis­ti­sches Pro­jekt gegen die schon damals all­mäh­lich wach­sende Mili­ta­ri­sie­rung der rus­si­schen Gesell­schaft ver­standen, da es öffent­lich zu Anti­kriegs-Film­abenden einlud oder im Jugend-Thea­ter­stück „Segne den Herrn und seine Muni­tion“ die Gefahr von Waffen herausarbeitete.

Auszug aus dem Gedicht „Meine Vagina“ von Galina Rymbu:

Quelle des Gedichts: https://shoizdat.com/galina-rymbu-moya-vagina/

Die Bilder im Text­bei­trag stammen von der Web­seite „Free Yulia Tsvet­kova“ und wurden hier unter Ein­wil­li­gung der Mutter der Künst­lerin veröffentlicht.