„We make it Europe.“

„Drive, Sleep, Drive, Sleep, Load, Unload, Drive, Sleep.“ – Peter Triest (Regie und Drehbuch) bildet mit „A Parked Life“ (2022) den monotonen Alltag, die Einsamkeit und die Sehnsucht eines bulgarischen Fernfahrers ab und schickt uns dabei auf eine Reise durch Europa.

 

Lange Blicke aus dem Fenster, vorbeifliegende Landschaften und Orte, schnelles Ein- und Ausladen, kurze Gespräche mit Fremden, Telefonate mit der Familie und fahren, fahren, fahren: Das ist Petar Doychevs Leben.

Um für seine Familie zu sorgen und seinem Sohn Jordan eine bessere Zukunft zu ermöglichen, ist er monatelang auf den Autobahnen Europas unterwegs. Petar steht unter permanentem Druck. Er versucht trotz der Distanz für seine Ehefrau und sein Kind präsent zu sein, merkt aber, dass die Videoanrufe oft nicht genügen. An Rastplätzen tauscht er sich mit anderen Fernfahrern aus. Sie alle registrieren, wie ihnen die Zeit durch die Finger rinnt, während sich ihr eigentliches Leben mit Familie und Freund:innen ganz woanders abspielt. Schließlich stellt einer von ihnen ernüchtert fest: „I have wasted my life away in that truck.“

Mit Feingefühl und Genauigkeit gelingt es dem Regisseur Peter Triest die alltäglichen Herausforderungen von Petar Doychevs Leben im Truck einzufangen und filmisch umzusetzen. Die vielen Groß- und Nahaufnahmen machen mit der Mimik und Gestik des Protagonisten vertraut. Trauer und Sehnsucht sowie die seltenen Momente des Glücks und der Freude sind ihm klar vom Gesicht zu lesen. Einige Passagen im Film wurden zudem mit Handkameras aufgenommen, diese wirken besonders realistisch. Oft werden die Zuschauer:innen so quasi auf dem Beifahrersitz platziert. Unter diese Sequenzen mischen sich großflächige Landschaftsaufnahmen, die die Vielseitigkeit Europas zeigen. Es ist ein Spiel aus Nähe und Distanz, welches Petar Doychev nie aus dem Fokus verliert, zugleich aber die Gelegenheit bietet, das Gesehene in größerem Kontext zu hinterfragen: Ist Europa nur ein Netz aus Autobahnen? Ein ökonomischer, gesellschaftlicher Verbund? Eine Union der sozialen Gegensätze? Petar stellt fest: „I think Europe only exists on the motorway. Without us connecting the pieces, it’s just countries.“

Der Dokumentarfilm überzeugt mit der Darstellung von Kontrasten, von Sommer zu Winter, von hell zu dunkel, von laut zu leise. In einer Szene ist Petar laut lachend und spielend mit seinem Sohn Jordan am Strand zu sehen, in der nächsten ist er allein und starrt durch die Windschutzscheibe auf die nächtliche Schneelandschaft. Besonders in den Momenten der Stille, maximal begleitet von den Geräuschen des Lastwagens oder dem dumpfen Lärm der Autobahn, wird Petars Einsamkeit greifbar.

„A Parked Life“ ist eine subtile Dokumentation mit beeindruckenden Bildern, die ein Portrait von Europa durch die Augen eines Menschen zeigt, der im basalen Sinn Verbindungen herstellt. Die dabei entstehende räumliche Distanz zwischen Petar und seiner Familie führt zu einer emotionalen Zerreißprobe und stellt seine Ehe auf die Probe. Werden sich die Hoffnungen und Wünsche erfüllen, die er an seinen Job als Trucker knüpft oder wird ihn die Isolation und Sehnsucht übermannen?

 

Triest, Peter: A Parked Life, Belgien / Niederlande, 2022, 75 Min.

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